« Was nutzen blaue Werkteile einer Uhr? »
Blau ist die Farbe der Horologie 2016. Damit rücken auch wieder die besonders hochwertigen gebläuten Bestandteile aus Stahl in den Fokus. Wir erklären, was den Reiz an „Blau“ ausmacht und ob gebläute Uhrenteile mehr Nutzen habe als gut auszusehen.
Die Farbe Blau spiegelt die Weite des Himmels wider und ist wertvoller als Gold. Seit Jahrtausenden sind die Menschen auf der Spur intensiver Blautöne, um damit Glas, Textilien, Keramik oder Mosaike zu färben und ausdrucksstarke Bilder zu malen. Sie nutzten dazu die Pigmente von Färberwaid, Indigo, Azurit oder Kobalt – bis hin zum wertvollen Lapislazuli, dem blauen Stein, der zu Ultramarin vermahlen wurde. “Ultramarin” heißt genau genommen “Jenseits der See” und beschreibt damit die weite Reise, die von den Steinen zurückgelegt werden musste, bis sie von den Malern genutzt werden konnte, um den Mantel der Madonna blau zu färben. Bis heute ist echtes Ultramarinblau teurer als Gold. In allen Epochen der Kulturgeschichte ist die Farbe des Himmels prägend, wie sich in ihrer reichhaltigen Symbolik und den unterschiedlichen Wendungen zeigt.
Die Faszination der blauen Stunde
Die blaue Stunde, dieser faszinierende und nur sehr kurze Moment, der während Sonnenuntergang oder -aufgang die Welt verzaubert, erhält seine ganz besondere Wirkung durch die tiefblaue Farbe des Himmels. Seit einiger Zeit sind blaue Uhren beliebt, sowohl bei den Damen als auch bei den Herren. Manchmal ist es nur das Armband, bei anderen Uhren das Ziffernblatt, wiederum andere Uhren sind ganz in den Farben des Meeres gestaltet. Doch die blaue Farbe spielt gerade bei hochwertigen Luxusuhren noch eine ganz andere Rolle, dann nämlich, wenn die Zeiger oder Schrauben nicht gefärbt werden, sondern als gebläute Zeiger und gebläute Schrauben, als gebläuter Stahl in den Zeitanzeiger oder Chronographen integriert werden, wie dies beispielsweise bei der Pesaro II von Bruno Söhnle der Fall ist. Das Bläuen der Werkteile hat eine lange Tradition, lassen Sie sich ein wenig in die Geschichte und Technik entführen.
Gebläuter Stahl
Werden Stahlteile vorsichtig und langsam auf 290° Celsius erhitzt (das sogenannte Anlassen), überzieht sich das vorher mausgraue Metall mit einer hauchdünnen Schicht Magnetit. Diese schimmert blau wie die Kornblumen und wird bei der Fertigung hochwertiger Uhren genutzt: Es werden gebläute Schrauben und gebläute Zeiger verfeinert, von den Fachleuten “finissiert” genannt. Wird Stahl verarbeitet und veredelt, lässt sich dieser durch das thermische Anlassen in ganz unterschiedlichen Anlassfarben färben, je nachdem, wie lange und bei welcher Temperatur der Stahl erhitzt wird: Bei 220° Celsius schimmert der Stahl hellgelb, er wird bei 245° Celsius gelbbraun. Bei einer Temperatur von 265° Celsius wechselt die Farbe ins braunrote und wird schließlich bei 290° Celsius blau. Wird der Stahl weiter erhitzt, vergehen die Anlassfarben und er wird wieder mausgrau. Der bereits angesprochene Magnetit ist eine stabile Verbindung von Sauerstoff mit dem Eisen des Stahls. Magnetit kommt auch als natürliches Mineral vor und ist gegen Laugen und Säuren beständig. Dabei lassen sich ganz unterschiedliche Blautöne erzeugen, je nachdem, wie lange die Stahlteile im Ofen zum Bläuen verweilen und reichen von ganz hellem Blau über Kornblumenblau bis hin zu tiefdunklem Blau. Ist der gewünschte Blauton erreicht, werden die Teile in einem Ölbad abgeschreckt und somit der Vorgang gestoppt.
Die Eigenschaften des Magnetits
Hildegard von Bingen beschrieb im 12. Jahrhundert die Eigenschaften, die zu dieser Zeit dem Magnetit zugeschrieben wurden: Magnetit sollte Körper und Geist aktivieren, die Tätigkeit der Drüsen ebenso anregen wie den Fluss der Energie. Mit Hilfe von Magnetit sei die Reaktionsfähigkeit erhöht, der Stein sollte außerdem eine entspannende Aura bewirken. Das Tragen eines Magnetits helfe gegen Verkrampfungen, Verspannungen, starkes Schwitzen und Körpergeruch und gegen Hunger, war sich Hildegard von Bingen sicher. Er sollte gegen Entzündungen ebenso helfen, wie gegen Vergiftungen.
Schützt das Bläuen vor Rost?
Wer allerdings meint, dass gebläuter Stahl gleichzeitig rostfreier sei, da doch dieser durch das Bläuen bereits oxidiert sei, der irrt. Das sagt der studierte Chemiker, Lucien F. Trueb, der 25 Jahre bei der Neuen Züricher Zeitung arbeitete, sämtlichen chemischen Verbindungen auf der Spur war und meint, dass jene im Uhrwerk integrierten Stahlteile durch Bläuen nicht vor Rost geschützt werden. Gebläute Schrauben, gebläute Zeiger und Federn rosten in gleichem Maße wie das unbehandelte Material und haben im Prinzip keine Schutzwirkung. Da Sauerstoff und Wasser in Form von Dampf durch die blaue Oberschicht zum Eisen dringen können, kann dort auch Rost entstehen.
Gebläuter Stahl ist ein winziges bisschen weicher
Nicht nur gebläute Schrauben und gebläute Zeiger werden durch das Anlassen gefärbt, sondern auch der Stahl von scharfen Messern. Hier dient das Anlassen dazu, dem Stahl die Glashärte zu nehmen und ihn nicht nur zu bläuen, sondern ein kleines bisschen elastischer zu machen. Die Messer werden dann scharf und sind gleichzeitig federhart. Überhaupt wurden Waffen gerne gebläut, machten sie doch so einen wesentlich edleren Eindruck. Berühmt ist beispielsweise im Ofen gebläuter Damaszenerstahl, bei dem die unterschiedlichen Stähle, die miteinander verschmiedet wurden, auch unterschiedlich auf die Hitze im Ofen reagieren und somit in unterschiedlichen Blautönen schimmern. Neben dem thermischen Bläuen ist seit der Antike auch das chemische Bläuen bekannt, bei dem mittels Laugen und Salzen salpetriger Säuren das Metall gebläut wurde. Schon Agricola beschreib in seinem Werk “De re metallica” die Wirkung der Salze als Mittel zur Oxidation, ebenso wie 1788 Achard in “Alliage métallique”. Diese Verfahren spielen jedoch bei der Herstellung von Werkteilen für Uhren keine wesentliche Rolle.
Die Schönheit ist elementar – Blau ist Trend
Zu einer perfekten Uhr gehört nicht nur, dass das Uhrwerk exakt arbeitet und das Gehäuse makellos ist, sondern auch die damit verbundene Ästhetik: Hier ist die blaue Farbe Ausdruck der Sehnsucht nach der Unendlichkeit, auch wenn sich die Zeiger unerbittlich weiter drehen und damit auf ihre Art beweisen, dass jeder Moment seine ganz spezielle Zeit besitzt. Gebläuter Stahl ist filigran und hart zugleich und bezaubert durch seinen unvergleichlichen Schimmer. Wie groß der Trend nicht nur bei angelassenem Metall ist, zeigt die kleine Auswahl an hochwertigen Uhren namhafter Manufakturen. Die Uhren glänzen nicht nur durch gebläute Zeiger und gebläute Schrauben, sondern auch durch blaue Zifferblätter und werden von entsprechend passenden Bändern ergänzt.
Die Breitling Superocean Heritage ist ebenso sportlich, wie die Omega Constellation Globemaster. Während bisher die Uhren von Chopard nur mit wenigen Farben auskommen mussten, leuchten die blauen Zeiger der Happy Sport geradezu und bringen frischen Schwung in die Linie. Auf der Basel 2014 präsentierte außerdem Frédérique Constant die neuen in Mitternachtsblau gefärbten Zeiger des Klassikers Manufacture Worldtimer. Durch den Glasboden der Maxime Manufacture Slim Line Moonphase lassen sich gleich mehrere gebläute Schrauben des Gehäuses sehen.