« Heimat von Certina, Mido, Tissot, Ulysse Nardin und Zenith »
Sie gilt als Wiege der schweizerischen Uhrmacherei, ist seit 2009 UNESCO-Weltkulturerbe und beheimatet noch heute mit Tissot, Ulysse Nardin, Zenith oder Certina einige der wichtigsten Hersteller der Branche: die Gemeinde Le Locle im Kanton Neuenburg fasziniert in vielerlei Hinsicht. Nur wenige Orte waren der Uhrenindustrie im Laufe ihrer Geschichte so eng verbunden. Begeben wir uns auf eine Tour durch die traditionsreiche Stadt und entdecken einige der prominenten Hersteller, deren Erfolg dort seinen Anfang nahm.
Industrie und Kultur treffen aufeinander
Die Uhrenstadt liegt im Nordwesten der Schweiz, direkt an der französischen Grenze und etwa 80 Fahrtkilometer westlich von Bern. Nur acht Kilometer entfernt liegt das ebenfalls für seine Uhrmacherei berühmte La Chaux-de-Fonds, dessen Historie sehr stark an Le Locles Entwicklung erinnert. Lässt man die berühmte Industrie einmal außer Betracht, entpuppt sich das rund 10.000 Einwohner große Städtchen als wahre Schatzkammer für kulturell Interessierte: Neben drei Museen, unter denen sich sowohl das Uhrenmuseum als auch ein Kunstmuseum mit ständig wechselnden Ausstellungen befinden, begeistert auch das markante Stadtbild im Schachbrettgrundriss.
Zahlreiche Bauten im Stil der Neurenaissance sowie das imposante, ehemalige Rathaus lassen das Gefühl Schweizer Gemütlichkeit, aber auch den Geist vergangener Jahrhunderte lebendig werden. Erstmals um 1150 urkundlich erwähnt, durchlebte Le Locle seine größte Entwicklung ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1705 begann der Goldschmied und Uhrmacher Daniel Jeanrichard dort mit der Herstellung von Zeitanzeigern und legte damit den Grundstein für die spätere Industrie.
Rund 100 Jahre später, als der Übergang von reiner Handarbeit hin zu industrieller Fertigung gelang, zeichnete sich ein bemerkenswertes Wachstum ab, in dessen Folge einige der heute noch berühmtesten Uhrenmarken entstanden.
Einen kleinen Wermutstropfen gab es dennoch: Weil Le Locle in einem Talkessel liegt, blieben die Möglichkeiten zur Ausdehnung beschränkt – ganz anders als im benachbarten La Chaux-de-Fonds, wo das Wachstum noch stärker ausgeprägt war.
Weltmarken mit beschaulicher Heimat
Der Kontrast erscheint extrem: Mit Tissot und Certina haben zwei der größten Uhrenhersteller weltweit ihren Sitz in einem Ort, der nur ein Zehntel der Einwohner der kleinsten deutschen Großstadt besitzt. Diese Tatsache zeigt, dass beide Marken trotz ihrer Zugehörigkeit zur riesigen Swatch Group weiterhin auf Traditions- und Heimatverbundenheit setzen. Sowohl für den Verkaufserfolg als auch die Glaubwürdigkeit ist dies entscheidend – wer seine Uhren als Ergebnis jahrhundertealter Tradition präsentiert, muss die Treue zur eigenen Historie klar unterstreichen.
Tissot passte einst hervorragend in das fast schon ländliche Leben Le Locles: Im Jahr 1853 eröffnete der gleichnamige Firmengründer zunächst eine kleine Werkstatt, die aus fremden Komponenten Taschenuhren fertigte. Von der überdurchschnittlichen Robustheit der Zeitanzeiger beeindruckt, verlangte die internationale Kundschaft immer größere Stückzahlen – die schrittweise Vergrößerung des Betriebs war unausweichlich. Schließlich entschied man sich 1920 für die Produktion eigener Uhrwerke, was den Erfolg nur noch beschleunigte.
Genauso wie Tissot, ist Certina heute eine Weltmarke – beide Namen stehen für Schweizer Qualität mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Allerdings fanden die Anfänge von Certina gar nicht in Le Locle, sondern im rund 60 Kilometer entfernten Grenchen statt, das heute als Hauptsitz Breitlings bekannt ist. 1888 begannen die Brüder Adolf und Alfred Kurth dort mit der Herstellung von Uhrwerken und -komponenten.
Nach Jahrzehnten des Erfolgs präsentierte Certina 1959 mit dem “DS”-Konzept eine revolutionäre Erfindung: Das Kürzel steht für “Doppelte Sicherheit” und bezeichnet eine Krone mit Schraubverschluss, die einen deutlichen Fortschritt in Sachen Wasserdichtigkeit und Widerstandsfähigkeit bedeutete.
Pioniergeist und Luxus
Diese Innovation blieb nicht die einzige aus Le Locle: Der 1918 gegründete Traditionshersteller Mido, dessen Hauptsitz heute ebenfalls im Neuenburger Städtchen liegt, ging 1934 mit dem Modell “Multifort” einen bedeutsamen Schritt. Erstmals wurden die vier Eigenschaften Automatikwerk, Wasserdichtigkeit, Stoßsicherheit und Schutz vor Magnetfeldern in einem Gehäuse vereint. Auch Mido wurde nicht dort, sondern in Solothurn gegründet. Scheinbar hat die Uhrenstadt Le Locle seit jeher eine anziehende Wirkung – sie steht nicht nur für Tradition, sondern auch für den menschlichen Fortschrittsgedanken, den Willen, immer besser zu werden.
Das Streben nach Perfektion hat die Luxushersteller Ulysse Nardin und Zenith in besonderem Maße beeinflusst. Zenith, im Jahr 1865 als “Fabrique des Billodes” gegründet, steht für die Konstruktion einiger der präzisesten Automatikwerke überhaupt. Selten besaß allein der Name eines Kalibers, “El Primero“, eine eigene Popularität. Als Teil des Luxusgüter-Herstellers LVMH ist die Marke ein weiteres Beispiel für die Treue zur Schweizer Heimat und gehört zu den bedeutendsten Arbeitgebern Le Locles.
Vielen Uhrenliebhabern gilt Ulysse Nardin als Inbegriff des Extremen: Egal ob Tourbillon, ewiger Kalender oder Modelle mit Minutenrepetition – wer den Gipfel mechanischer Leistungen bestaunen will, muss sich nur das Portfolio der High-End-Marke mit dem Anker im Logo ansehen. Ihre Geschichte geht bis ins Jahr 1846 zurück und zeigt, dass die Uhrenstadt seit jeher die klugsten Köpfe der Industrie beheimatet hat.
Unverzichtbarer Bestandteil der Uhrengeschichte
Unser Weg nach Le Locle hat gezeigt, dass diese Stadt mehr ist als bloß die Heimat einiger Uhrenmarken wie Certina, Tissot oder Zenith: Die Neuenburger Gemeinde ist ein faszinierender Ort voller Innovation, kultureller Anziehungskraft und mechanischer Höchstleistungen. Sie hat sich als Magnet für einige der bedeutendsten Hersteller unserer Zeit erwiesen und ist untrennbar mit dem Erfolg ihrer Manufakturen, aber auch der ganzen Branche verbunden.
Und wer weiß, vielleicht würden wir die Uhrenindustrie in ihrer heutigen Vielfalt gar nicht kennen, hätte es diese Stadt nie gegeben.
Eine weitere Uhrenmetropole: Beitrag über La Chaux-de-Fonds