« Spezialuhren für die Lüfte »
Die Firma Sinn Spezialuhren zählt zu den renommiertesten Herstellern von Fliegeruhren. Im Unterschied zu anderen Luxusuhrenmanufakturen hat sie jedoch nicht irgendwann begonnen, ihr Sortiment um Pilotenuhren zu ergänzen, sondern wurde von einem begeisterten Piloten und Fluglehrer eigens dafür gegründet, um nach dessen Vorstellungen Uhren für besonders anspruchsvolle Zielgruppen wie Piloten zu produzieren. Einige Sinn Fliegeruhren stellen wir unseren Leserinnen und Lesern hier vor.
Flieger-Chronographen: höchste Ansprüche an Ganggenauigkeit und Robustheit
Die Entwicklung von Fliegeruhren ist untrennbar mit der Geschichte der Luftfahrt verbunden. Schon während des ersten Weltkrieges, als Flugzeuge zum ersten Mal in größerem Stil militärisch genutzt wurden, stattete man Piloten mit besonderen Armbanduhren aus, die sich einerseits durch hohe Präzision auszeichneten, andererseits aber auch robust und leicht bedienbar sein sollten. Letzteres bedeutete vor allem, dass die Fleiger in der Lage sein mussten, die Uhr auch mit Handschuhen zu bedienen und die Zeit ebenso bei ungünstigeren Lichtverhältnissen schnell und genau abzulesen. Äußerlich sind Fliegeruhren aus dieser Ära – ebenso wie die zahlreichen ihnen nachempfundenen Retro-Modelle – deshalb vor allem an charakteristischen Details wie der übergroßen, geriffelten und meist zwiebelförmigen Krone, dem klaren Zifferblattdesign mit Leuchtzeigern und Leuchtindizes sowie einem vergleichsweise großen Zifferblattdurchmesser zu erkennen.
Außerdem besaßen sie in der Regel relativ lange genietete Lederarmbänder mit Dornschließen, die eine Befestigung der Uhr über dem Ärmel der Fliegeruniform, in einigen Fällen sogar auf dem Oberschenkel, erlaubte. Mit zunehmender Reichweite der Flugzeuge gewann dann die Flugnavigation immer stärker an Bedeutung, die ebenfalls eine präzise Zeitmessung und noch aufwendigere Messinstrumente erforderte. Seitdem sind Pilotenuhren sowie Uhren für Flugnavigatoren typischerweise mit zusätzlichen Features wie einer Chronographenfunktion, einer Anzeige für eine weitere Zeitzone oder einer Rechenscheibe versehen.
Sinn Fliegeruhren: viel Aviatik, wenig Retro
Wer einen Blick auf das Sortiment der Sinnschen Uhrenfabrik wirft, findet Spezialuhren für Piloten dort vor allem in der Kollektion Sinn Instrumentelle Chronographen beziehungsweise Instrumentelle Uhren. Dabei fällt auf, dass einige Modelle zwar deutliche Anklänge an das Uhrendesign der 1960er und 1970er Jahre zeigen, die “typischen” Fliegeruhrendesigns aus den 1910er bis 1940er Jahren, die in den zurückliegenden Jahren von zahlreichen anderen Herstellern für eine Reihe von Retro-Modellen verwendet worden sind, jedoch komplett fehlen. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Helmut Sinns Anspruch war es, zeitgenössische Spezialuhren zu entwickeln und zu bauen – und eben keine Retro-Uhren mit dem Flair vergangener Jahrzehnte. Und in den 1960er Jahren saßen Piloten überwiegend in geschlossenen Cockpits mit elektrischer Bordbeleuchtung statt in mehr oder weniger offenen und zugigen Pilotenkanzeln ohne künstliche Beleuchtung.
In der zivilen Luftfahrt dominierten elegante Uniformen mit Hemd und Krawatte, Privatpiloten trugen sportliche Freizeit-Outfits und selbst die Fliegerkombis von Militärpiloten hatten nichts mehr mit jener dicken und beinahe unförmigen wirkenden Kleidung aus Pelz und dickem Leder gemein, die Piloten in den ersten Jahren und Jahrzehnten der Luftfahrt getragen hatten, um sich während des Fluges ausreichend gegen Wind und Kälte schützen zu können. Insofern konnte bei den Sinn Fliegeruhren von Anfang an auf überdimensionierte Kronen und Zifferblätter verzichtet werden. Stattdessen dominieren bei ihnen Zweckmäßigkeit, modernes Design und – wenngleich diese Eigenschaften nicht von außen sichtbar sind – höchste Präzision und Zuverlässigkeit.
Neue Normen für Flieger-Chronographen
Helmut Sinns Ideen für die Entwicklung und Verbesserung moderner Pilotenuhren und Borduhren flossen nicht nur in die Entwicklung der eigenen Uhrenmodelle ein, sondern auch in die Formulierung einschlägiger technischer Standards. In diesem Zusammenhang ist vor alle das TeStaF-Projekt zu erwähnen, das im Jahr 2008 von Sinns Unternehmen gemeinsam mit dem Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik an der Fachhochschule in Aachen initiiert worden war. Die Abkürzung TeStaF steht dabei für “Technischer Standard Fliegeruhren”. Im Rahmen dieses Projekts verfolgten die Beteiligten das Ziel, einen technisch-funktionalen Katalog derjenigen Anforderungen zu erarbeiten, die Armbanduhren heute im zivilen Flugbetrieb gemäß den Sicht- und Instrumentenflugregeln erfüllen müssen. Uhren, die den Anforderungen dieses Standards genügen, können nach erfolgreich abgeschlossenen Prüfungen ein vom Aachen Institute of Applied Sciences e. V. (AcIAS) ausgestelltes Zertifikat erhalten, das dies bestätigt.
Sinns Uhren mit TeStaF-Zertifikat
Die Entwicklung des neuen Fliegeruhrenstandards nahm Sinn zum Anlass, eigene Spezialuhren für Piloten nach dessen Kriterien testen zu lassen, beziehungsweise so zu modifizieren, dass sie die Anforderungen des Standards erfüllen. Im Rahmen der Zertifizierung waren von jedem zu testenden Modell zwei gebrauchsfertige Exemplare im fabrikneuen Anlieferungszustand sowie ein Gehäuse mit Drehlünette, aber ohne Werk und jeweils neun Exemplare der Deckgläser, der Dichtungen und gegebenenfalls auch der Bodengläser einzureichen, außerdem auch ein Armbandsystem das für die Verwendung mit der zu testenden Uhr vorgesehen ist. Insgesamt wurden die Uhren 35 Stunden lang getestet und dabei im Hinblick auf Widerstandsfähigkeit gegen äußere Belastungen sowie Sicherheit und Kompatibilität geprüft.
Nach entsprechenden Modifikationen dürfen beispielsweise die Modelle 103 Ti UTC, EZM 10 und 103 Ti bereits auf ihren Zifferblättern oder Gehäuseböden das Logo des TeStaF tragen. Das charakteristische Merkmal des Flieger-Chronographen EZM 10 ist sein zentraler Minutenzähler, der sich durch eine verbesserte Ablesbarkeit der Stoppzeit auszeichnet. Ermöglicht wird dies durch einen komplexen Umbau des Werkes vom Kaliber Valjoux 7750, der zugleich Platz auf dem Zifferblatt für eine zweite Zeitzonenanzeige schafft. Im Modell 103 Ti TeStaF hingegen arbeitet ein Chronographenkaliber Valjoux 7750, das von einem Titangehäuse mit 41 Millimetern Durchmesser geschützt wird. Im Falle des 103 Ti UTC TeStaF kommt noch ein weiterer Zeiger für eine zweite Zeitzone auf Zwölf-Stunden-Basis hinzu.