« Bei Swatch der Mann für die Luxusuhren »
Um einen Hersteller von Luxusuhren erfolgreich zu führen, braucht es Persönlichkeiten, die sich in der Welt der Bilanzen und Unternehmensstrategien ebenso gut auskennen wie bei den neuesten Trends am Uhrenmarkt und den Vorlieben der Kundschaft. Solides Fachwissen ist dabei zugleich notwendig wie ein gewisses Fingerspitzengefühl und Erfahrungen aus einem Markt, der nicht immer nur ganz rational zu funktionieren scheint. Raynald Aeschlimann zählt zu den Menschen, die ebenjene Eigenschaften in sich vereinen. Wir stellen unseren Leserinnen und Lesern den Mann vor, der bei der Swatch Group für die Luxusuhren verantwortlich ist.
Fülle an Aufgaben – und faszinierende Gestaltungsspielräume
Für viele Uhrenliebhaber mag die Führung eines Luxusuhrenherstellers der Traumjob schlechthin sein, denn wo sonst kann jemand seine individuellen Vorstellungen von der idealen Uhr so gut verwirklichen wie in dieser Position?
Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn der eigene Geschmack und die individuellen Vorlieben sind dabei nur insoweit hilfreich, wie sie auch dem Geschmack einer möglichst großen Zahl von potenziellen Kunden entsprechen – oder gar einen entsprechenden Trend zu initiieren vermögen.
Ist diese Bedingung erfüllt und tritt der wirtschaftliche Erfolg ein, dann bietet eine solche Tätigkeit in der Tat faszinierende Gestaltungsspielräume für jemanden, der sich gerne mit dem Design und der anspruchsvollen Technik mechanischer Luxusuhren beschäftigt. Dies dürfte auf Raynald Aeschlimann in besonders hohem Maße zutreffen.
Intime Branchenkenntnis und internationale Erfahrung
Die unter seiner Verantwortung hergestellten Produkte werden von Uhrenliebhabern in aller Welt geschätzt, doch Aeschlimanns Name ist in der Öffentlichkeit und in den Medien weniger präsent. In der Fachwelt hat er dagegen schon seit längerer Zeit einen guten Klang, steht er doch für eine umfassende und tiefgehende Branchenkenntnis, für wichtige Impulse bei den von ihm verantworteten Marken sowie für internationale Erfahrungen in unterschiedlichen Führungspositionen.
Der Schweizer studierte an der renommierten Hochschule St. Gallen und erwarb das Lizenziat in Wirtschaft sowie einen M. A. Seine ersten Karrierestationen waren ab 1992 Tätigkeiten bei Longines, der ältesten eingetragenen Uhrenmarke der Welt, sowie bei der Complementa AG, einem Investmentspezialisten in St. Gallen.
Eine für seinen weiteren Lebensweg maßgebliche Weichenstellung folgte 1996: In diesem Jahr wechselte Aeschlimann als Projektmanager in den Bereichen Verkauf und Marketing zu dem Luxusuhrenhersteller Omega, wo er 2000 Brand Manager Spanien für die beiden Marken Omega und Blancpain wurde. 2001 übernahm er die Funktion eines Vizedirektors und internationalen Leiters Verkauf, Einzelhandel und Vertrieb. Diese hatte er für fast anderthalb Jahrzehnte inne, bis er im Juni 2016 schließlich als Präsident an die Spitze der Omega AG berufen wurde.
Führende Funktionen Aeschlimanns innerhalb der Swatch Group und Engagement für die Uhrenbranche
Parallel zu seiner Tätigkeit bei Omega übernahm Aeschlimann im Laufe der Jahre auch mehrere wichtige Funktionen innerhalb von deren Muttergesellschaft, der Swatch Group. Dort war er ab 2010 zunächst Koordinator für die indische Tochtergesellschaft des Konzerns, bevor man ihn 2013 in die Erweiterte Konzernleitung der Gruppe aufnahm. Seit Januar 2019 zeichnet er zudem für die Swatch Group Frankreich verantwortlich. Neben diesen Tätigkeiten engagiert er sich als Vorstandsmitglied des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie FH für die Belange seiner Branche.
Eine Kernmarke des führenden Schweizer Uhrenkonzerns
Dass Aeschlimann einen großen Teil seines Berufslebens bei Omega tätig war, dürfte ihm bei seiner Arbeit in der Führung der Swatch Group häufig zugutekommen.
Denn die nach dem letzten Buchstaben des griechischen Alphabets benannte Luxusuhrenmarke gehört gewissermaßen zur Kernsubstanz des heute führenden Schweizer Uhrenkonzerns, während zahlreiche andere Marken der Gruppe erst in den letzten 30 oder 40 Jahren von dieser erworben wurden. Schon 1930 hatten sich mit Omega aus Biel und Tissot aus Le Locle zwei renommierte Schweizer Uhrenhersteller zur Société Suisse pour l’Industrie Horlogère (SSIH) zusammengeschlossen.
Zwei Jahre später kam mit der Firma Lemania ein weiteres Unternehmen hinzu. Parallel dazu war mit der 1931 gegründeten Allgemeinen Schweizer Uhrenindustrie AG (ASUAG) ein weiterer Konzern entstanden, der ebenfalls ein Portfolio etablierter Schweizer Uhrenhersteller unter seinem Dach vereinte. Beide existierten für mehrere Jahrzehnte nebeneinander und übernahmen schließlich Anfang der 1980er Jahre eine Schlüsselrolle bei der Konsolidierung der Schweizer Uhrenbranche.
Diese war im Zuge der sogenannten Quarzkrise seit den 1970er Jahren immer stärker unter Druck geraten, weil billige Quarzuhren – insbesondere aus Asien – die weltweiten Märkte überschwemmten und die Nachfrage nach mechanischen Uhren drastisch einbrechen ließen. Vor diesem Hintergrund wurde Nicolas G. Hayek zum “Retter der Schweizer Uhrenindustrie”, indem er 1983 die Schweizerische Gesellschaft für Mikroelektronik und Uhrenindustrie AG (SMH) gründete.
Sie entstand durch eine Fusion von ASUAG und SSIH und firmierte ab 1998 unter dem Namen The Swatch Group AG. Durch den Zusammenschluss zahlreicher namhafter Schweizer Uhrenmarken unter einem Konzerndach und die Nutzung von dadurch möglichen Synergieeffekten gelang es, die Krise zu überwinden und Schweizer Uhren neu als international gefragte Luxusgüter zu positionieren.
Positionen und Entscheidungen: Wie “tickt” der Luxusuhren-Experte Aeschlimann?
Als Raynald Aeschlimann 2016 bei Omega das Erbe von Stephen Urquhart antrat, war er mit 46 Jahren noch vergleichsweise jung, galt aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen aber bereits als “Veteran” und war bereits seit Längerem als potenzieller Nachfolger gehandelt worden.
Den hohen Erwartungen an ihn, die damit verbunden waren, ist der dynamische Uhren-Manager in vollem Umfang gerecht geworden.
Bereits im Jahr nach seinem Amtsantritt bescheinigte ihm die Fachpresse, einen Blitzstart hingelegt zu haben. So sorgte er zum 60. Geburtstag der legendären Speedmaster mit einem spektakulären Event in der Londoner Tate Modern für Furore, bei dem neben dem Markenbotschafter George Clooney auch der ehemalige Astronaut und zweite Mann auf dem Mond, Buzz Aldrin, auf der Bühne erschien. Letzterer hatte bei der ersten bemannten Mondlandung am 21. Juli 1969 ein Exemplar jenes Speedmaster-Modells am Arm getragen, das von der NASA zur offiziellen Astronautenuhr bestimmt worden war und bis heute als “Moonwatch” bekannt ist.
Einen weiteren Höhepunkt von Aeschlimanns bisheriger Amtszeit stellte die Einweihung des neuen Omega-Gebäudes in Biel dar. Sein Schöpfer, der japanische Stararchitekt Shigeru Ban, kann für sich in Anspruch nehmen, mit dem 70 Meter langen und jeweils 30 Meter breiten beziehungsweise hohen Bau die größte Holzkonstruktion der Welt geschaffen zu haben. Dass er eine Leidenschaft für mechanische Uhren mitbringt, dürfte für seine Arbeit unabdingbar sein. Aeschlimann sagte einmal in einem Interview, für ihn solle eine Uhr grundsätzlich mechanisch sein.
Das Erlebnis, das man mit einer mechanischen Uhr habe, sei einmalig.
Wichtig sind ihm zudem die Tradition der Marke Omega und deren Bezug zur Perfektion, der sich in der Wahl dieses Markennamens ausdrückt. Die Wertschätzung des historischen Erbes steht Aeschlimann bei der Entwicklung neuer Ideen und Produkte jedoch keinesfalls im Weg. Ganz im Gegenteil, mit innovativen Entscheidungen wie der Einführung des Speedy Tuesday oder dem Lancieren der neuen Damenuhrenlinie Trésor sorgt er kontinuierlich dafür, dass “seine” Marke und die Swatch Group insgesamt auch in Zukunft am Markt erfolgreich sein können.