« Das Coronavirus trifft auch die Uhrenbranche »
Weitreichende Flugausfälle, Reisebeschränkungen und Panik an den Börsen – Die Folgen des neuartigen Coronavirus treffen Wirtschaft und Gesellschaft hart. Auch vor der Uhrenindustrie machen die Konsequenzen der Atemwegserkrankung keinen Halt, wie die kürzlich verkündete Absage der Watches & Wonders Genf verdeutlicht. Laut Veranstalter wird damit eine elementare Maßnahme zum Gesundheitsschutz des internationalen Messepublikums getroffen. Gleichzeitig versichert die Fondation de la Haute Horlogerie (FHH), bereits an der kommenden Ausgabe von 2021 zu arbeiten.
Die Enttäuschung ist groß
Eine Pressemeldung, die schockiert: Als die Absage der Uhrenmesse am 27. Februar 2020 öffentlich wird, ist die Ernüchterung bei Ausstellern und Besuchern groß. Denn ausgerechnet dieses Jahr sollte der Genfer Salon eine entscheidende Kehrtwende vollziehen, bei dem das alte Konzept des SIHH durch die moderne Ausrichtung der Watches & Wonders ersetzt wird.
Planmäßig für den 25. bis 29. April 2020 angesetzt, wäre das umbenannte Event erstmals in einer dualen Form erschienen, bei der die klassische Messe durch eine Erlebniswelt im Herzen der Genfer Innenstadt ergänzt werden sollte. Auch die zeitliche Zusammenlegung mit der anschließenden, nun aber ebenfalls abgesagten Baselworld vom 30. April bis 5. Mai 2020 war als Highlight der Veranstaltung geplant.
Ohne Asien geht nichts
Mit der Streichung folgt die veranstaltende FHH dem Beispiel hunderter weiterer Messen weltweit, unter ihnen der Genfer Autosalon und die Leipziger Buchmesse. Dass die Watches & Wonders Genf abgesagt wurde, ist also längst kein Einzelfall. Ein Hauptargument zur Aussetzung der Veranstaltung liegt in ihrer hohen Abhängigkeit vom asiatischen, insbesondere dem chinesischen Markt: Konsumenten, Verkäufer und Medien aus dem Land der Mitte waren für den SIHH in den vergangenen Jahren von entscheidender Bedeutung.
Eine Teilnahme dieses Publikums wäre aufgrund der hohen Ausbreitung des Coronavirus in China mit einem beträchtlichen Ansteckungsrisiko für alle Besucher einhergegangen.
Hinzu kommt, dass die Messe im Falle ihres Stattfindens einen erheblichen Einbruch der Besucherzahlen verzeichnet hätte – ein großer Teil des Publikums wäre aus Angst vor der Krankheit oder wegen Reisebeschränkungen anderer Staaten gar nicht erst gekommen. Ein wirtschaftliches Desaster. Das Virus trifft die Uhrenindustrie in einer Zeit, die aufgrund geopolitischer Unsicherheit und genereller Skepsis an den Märkten ohnehin zu den schwierigeren Phasen des Wirtschaftszyklus zählt. Sollte sich der Abschwung zu einer starken Rezession entwickeln, dürften Luxusbranchen wie die Uhrenindustrie am stärksten unter den Folgen leiden.
Die aktuelle Lage in der Schweiz
Ginge es rein nach den rechtlichen Bestimmungen der Schweiz, hätte die Watches & Wonders Genf nicht abgesagt werden müssen. Die aktuelle Entwicklung hätte eine Messe allerdings ohnehin unmöglich gemacht. Der Schweizer Nationalrat hat am 16.03. den landesweiten Notstand und ein Versammlungsverbot ausgerufen. Ebenso sind Grenzsperrungen landesweit in Kraft. Die dramatische Lage in ganz Europa lässt hier kaum andere Entscheidungen zu. Mit über 2.700 bestätigten Erkrankungen und 27 Todesfällen zählt das Alpenland aus prozentualer Sicht zu den zehn am stärksten betroffenen Ländern weltweit.
Die frühzeitige Absage der Watches & Wonders hat sich gleichermaßen als vorausschauender wie verantwortungsvoller Schritt erweisen, der die Probleme einer kurzfristigen Schließung weitestgehend verhindern konnte.
Nicht nur in der Schweiz gilt: Gründliches Händewaschen, die Vermeidung von Händeschütteln und “Social Distancing” tragen erheblich zum Schutz vor Covid-19 bei.
Es gilt, eine Lücke zu füllen
Zurück zur Uhrenindustrie. Denn jetzt, wo die Watches & Wonders Genf abgesagt wurde, stellt sich für die mehr als 30 Aussteller die entscheidende Frage nach dem zukünftigen Vorgehen. Zahlreichen neue Modellen fehlt die offizielle Bühne zur Präsentation, ebenso die wertvolle Rückmeldung der Medien, Händler und Besucher. Erstmals wäre die Genfer Uhrenmesse zu einer öffentlich zugänglichen Veranstaltung geworden, die Fans und Privatkunden ebenso eingeschlossen hätte wie Fachbesucher. Traditionell konnten letztere den SIHH nur auf Einladung besuchen, wodurch die Messe den Charakter einer exklusiven Privatveranstaltung besaß. Nun liegt es an den Herstellern, ihre neuen Produkte auf alternativen Events vorzustellen.
Insbesondere der Richemont-Konzern, der sich mit insgesamt zehn Marken als größter Aussteller der Watches & Wonders präsentiert hätte, erleidet durch den Ausfall ein tiefes Loch in seiner mittelfristigen Marketingstrategie. Ernsthaften Grund zur Sorge gibt es jedoch nicht: In Zeiten des Internets und sozialer Medien dürften Interessenten mühelos auf die neuen Uhren aufmerksam werden, obwohl die Watches & Wonders Genf abgesagt wurde. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie heftig die Folgen des Ausfalls vor 20 oder 30 Jahren gewesen wären, als Messen noch insgesamt eine höhere Bedeutung besaßen als heute.
Optimismus statt Panik: Die Uhrenbranche wird sich erholen
Trotz der momentanen Vielzahl besorgniserregender Nachrichten rund um das Coronavirus gilt es für die Uhrenindustrie, mit positivem Blick nach vorn zu schauen. Sieht man in die Vergangenheit, so wird ein vielversprechendes Muster deutlich: Denn nicht nur der negative Effekt wirtschaftlicher Abschwünge auf den Konsum von Luxusgütern ist heftig, sondern auch die anschließende Erholung.
Sobald Licht am Ende des Tunnels erscheint, macht sich der Optimismus breit und die Nachfrage steigt rapide an. Führt das Coronavirus also nicht zum unwahrscheinlichen Bankrott sämtlicher Hersteller, ist diese Entwicklung auch für die nächsten Monate zu erwarten. Und spätestens, wenn die Genfer Uhrenmesse 2021 ein voller Erfolg wird, verblassen die Erinnerungen an den diesjährigen Ausfall der Messe. Wir jedenfalls sind zuversichtlich: Ein zweites Mal wird die Watches & Wonders Genf nicht abgesagt. Und darüber hinaus können Sie bis dahin tolle Luxusuhren auf Uhrinstinkt entdecken!