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Von kühl bis kunstvoll, von kräftig bis zärtlich: Nur wenige Elemente beeinflussen die Ästhetik eines Zifferblatts so stark wie seine Zeiger. Vermeintlich sehr simpel und gar nicht der Rede wert, offenbaren die Bauteile bei näherer Betrachtung eine endlose Vielfalt eigenständiger Formen. Ein spannender Mikrokosmos innerhalb der Uhrenwelt, den jeder Enthusiast einmal sehen sollte. Wir präsentieren Ihnen die wichtigsten Zeigerformen und erklären ihre Stile am praktischen Beispiel.
Verrät den Stil und zeigt die Zeit: Ein zentrales Element
Wenn die Uhrendesigner berühmter Hersteller an einem neuen Zifferblatt arbeiten, vergehen bis zur Fertigstellung meist viele Wochen und Monate. Dabei entfällt ein großer Anteil des Prozesses auf die Gestaltung der Zeigerform: Sie ist es, die tagtäglich im Mittelpunkt des Meisterstücks stehen und seine wichtigste Funktion erfüllen wird – die Zeitanzeige.
Parallel dazu repräsentiert sie den Charakter der Uhr an vorderster Front, muss zur restlichen Gestaltung des Zifferblatts passen und meist sogar in Einklang mit der Modellfamilie der Marke stehen. Ziemlich viele Anforderungen für solch ein kleines Bauteil. Sie verdeutlichen, dass die Zeigerform keine Nebensache ist, sondern zu den optisch bedeutsamsten Aspekten eines jeden Instruments zählt.
Geradlinig und simpel: Beliebte Klassiker
Eine der häufigsten und gleichzeitig einfachsten Zeigerformen markiert die sogenannte Obélisque. Ausgezeichnet durch ihre prägnante Balkenform, ist sie von der Einstiegs- bis zur absoluten Luxusklasse in der gesamten Uhrenwelt vertreten. Dabei ist die Breite des Balkens sehr variabel: Während einige Dresswatches wie die Nomos Glashütte Lambda auf eine sehr dünne Ausführung setzen, verfügt der Klassiker Rolex Oyster Perpetual über eine deutlich kräftigere Form.
Im Mittelpunkt der Obélisque steht Simplizität – der Zeiger soll kein Schmuckstück, sondern funktionales und zeitloses Element zugleich sein.
Kriterien, die unsere nächste Zeigerform ebenfalls hervorragend erfüllt: Die Dauphine, häufig auch Schwertzeiger genannt, ist geradlinig und läuft über ihre gesamte Länge hinweg spitz zu. Häufig in High-End-Modellen wie der Patek Philippe Calatrava oder der Vacheron Constantin Traditionelle vertreten, wirkt sie im Vergleich zur Obélisque deutlich feiner und eleganter.
Man muss schon genau hinsehen, um sie von der verwandten Lancette-Form unterscheiden zu können: Letztere läuft ebenfalls spitz zu, verfügt im Gegensatz zur Dauphine allerdings über einen sehr zentral befindlichen Knick und besitzt keine Spitze am hinteren Ende. Wie das aussieht, zeigt die Oris Artelier Calibre 112.
Der Lancette wiederum ähnlich, aber gut zu unterscheiden ist die Losange-Zeigerform: Ihr Knick befindet sich nicht im Zentrum, sondern auf mittlerer Länge des Zeigers. Dadurch erzeugt die Losange einen symmetrischen Eindruck, verdeutlicht am Beispiel der Mühle Glashütte Terrasport Kollektion.
Birne oder Apfel? Die Kreativität ist groß
Von Symmetrie kann bei der Poire (zu deutsch: Birne) keine Rede sein. Unter anderem in der Glashütte Original Senator Chronometer verbaut, vereint sie einen verspielten Charakter mit einer luxuriösen Ausstrahlung. Charakteristisch ist die unterschiedliche Zeigerform bei Stunde und Minute: Während der kurze Zeiger mit einem breiten Knubbel in der Mitte erscheint, gibt sich die Minute bewusst schlank und grazil – die ideale Voraussetzung für ein leichtes Auseinanderhalten.
Exklusivität steht auch im Vordergrund der Breguet-Form: In beinahe allen Modellen des gleichnamigen Herstellers verbaut, gehen ihre Ursprünge bis in die Ära des legendären Firmengründers Abraham Louis Breguet zurück. Denn der 1747 geborene Uhrmacher war nicht nur technisch begabt, sondern auch kreativ.
Seine Zeigerform sticht durch den Einsatz eines runden Mittelstücks hervor, das die filigranen Bauteile scheinbar in zwei Hälften teilt und ideal für den Einsatz von Leuchtfarbe geeignet ist. Ebenso auffällig wie edel, wurde die Form inzwischen von einer Vielzahl weiterer Hersteller eingesetzt – ein preislich attraktives Beispiel ist die Frederique Constant Classics Automatic. Im französischen Sprachraum auch “Pomme” (zu deutsch: Apfel) genannt, liegt sie förmlich in einem Obstkorb mit der birnenförmigen Poire.
Vom Blatt zur Kathedrale: Traditionelle Varianten
Deutlich häufiger anzutreffen als die Breguet ist die sogenannte Feuille (zu deutsch: Blatt), deren geschwungener Auftritt traditionelle Akzente setzt. Betrachten wir den Longines Heritage Classic Chronograph 1946: Keine Kanten, sondern fließende Linien mit einer mittigen Verbreiterung zeichnen die Blattform aus. Keine Frage, leichte Ähnlichkeiten mit der Poire sind vorhanden. Doch die Feuille ist dezenter und lenkt den Fokus nicht auf sich selbst, sondern auf die anderen Elemente des klassischen Zifferblatts. Ihr Nachteil: Da Stunde und Minute dieselbe Zeigerform besitzen, fällt eine Unterscheidung schwerer als bei der verspielten Birnenform.
Verspieltheit ist das richtige Stichwort, wenn es um die Kathedralen-Form geht: Wie ihr Name bereits verrät, steht Prächtigkeit im Fokus der heutzutage seltenen Variante. Klar definiert ist sie nicht, ihre Ansätze jedoch prägen einige moderne Zeitanzeiger. Wie zum Beispiel die Graham Chronofighter 1695 Steel, die geschwungene Spitzen mit einer Verbreiterung der Stunde und Minute nach außen verbindet.
Kraftvolle Weltberühmtheit: Der Mercedes-Zeiger
Während die Kathedralen-Form weitestgehend unbekannt ist, zählt unsere letzte Zeigerform seit Jahrzehnten zu den berühmtesten ihrer Art. Um es direkt zu sagen: Die Mercedes-Form hat nichts mit der gleichnamigen Automarke zu tun. In beinahe allen sportlichen Rolex-Modellen wie etwa der Submariner, Yachtmaster oder Explorer verbaut, geht ihre Konstruktion vielmehr auf den Einsatz von Leuchtfarbe zurück. Aber eins nach dem anderen.
Als Rolex sich zur Einführung der kreisrunden Fläche im Stundenzeiger entschloss, beabsichtigte der Hersteller eine Steigerung der Ablesbarkeit durch die deutliche Unterscheidung von Stunde und Minute – was auch hervorragend funktionierte. Doch die große Fläche des Kreises sorgte dafür, dass die flüssig aufgetragene Leuchtmasse beim Austrocknen Risse bekam.
Die Lösung: Der “Mercedes-Zeiger” schafft drei kleine Flächen, bei denen keine Beschädigung der Oberfläche eintritt. Obwohl diese Zeigerform technisch nicht mehr notwendig wäre, hat sie sich zum Markenzeichen der Genfer Luxusmarke entwickelt und dürfte so schnell nicht mehr von den Zifferblättern des Herstellers verschwinden.