« Eine Branche feiert Jubiläum »
Seit 1845 ist es ein malerisches Städtchen im Erzgebirge, das als Herz der deutschen Uhrenindustrie Geschichte schreibt: Glashütte feiert 175 Jahre feinmechanische Handwerkskunst und technischen Pioniergeist. Weltweit für ihre Exzellenz bekannt, blickt die heutige Markenwelt des Müglitztals auf eine bewegende Historie zurück, deren Grundstein der visionäre Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange legte. Gehen wir auf eine Zeitreise und entdecken die Geheimnisse hinter Dreiviertelplatine, Schwanenhalsregulierung und Sonnenschliff.
Ferdinand Adolph Lange: Urvater einer blühenden Industrie
175 Jahre Watchmaking Glashütte – ein Jubiläum, das wir ohne das Lebenswerk Langes heute nicht zelebrieren könnten. 1815 in Dresden als Sohn eines Büchsenmachers geboren, erlernt er das horologische Handwerk ab 1828 unter dem Hofuhrmacher Johann Christian Friedrich Gutkaes – Erbauer der berühmten Fünf-Minuten-Uhr der Semperoper – und vertieft sein Fachwissen auf zahlreichen Wanderjahren durch die Schweizer Uhrmacherschmieden. 1841 kehrt Lange nicht nur als hervorragender Handwerker, sondern auch als visionärer Unternehmer in seine Heimat zurück und träumt von der Ansiedlung einer eigenen Uhrenindustrie im Erzgebirge. Ein Traum, der nur vier Jahre später mithilfe eines großzügigen Kredits des Landesfürsten Friedrich August II Realität wird: 1845 eröffnet Lange die Firma “A. Lange & Cie.”, bildet seinen ersten Lehrlingsjahrgang aus und fokussiert sich auf die Produktion von Ankeruhren – einer hochwertigeren Bauweise im Vergleich zu den Schweizer Zylinderuhren.
Es folgen Jahrzehnte des florierenden Wachstums: Erst gelingt Lange der internationale Durchbruch auf der Londoner Weltausstellung 1851, dann folgt die Ansiedlung zahlreicher talentierter Größen in der sächsischen Idylle. Unternehmer wie Julius Assmann oder Moritz Großmann gründen nicht nur mehrere Uhrenfabriken, sondern rufen 1876 auch die Deutsche Uhrmacherschule (DUS) ins Leben, an der später Alfred Helwig – Erfinder des fliegenden Tourbillons – seine Ausbildung genießen wird. Der beeindruckenden Geschäftstätigkeit stehen bereits im 19. Jahrhundert jene Markenzeichen gegenüber, für die Glashütter Zeitanzeiger bis heute berühmt sind: Dreiviertelplatine, Aufzugsräder mit Sonnenschliff und die schmuckvolle wie funktionale Schwanenhalsregulierung etablieren das Erzgebirge als eigenständige Uhrenheimat neben der prominenten Schweiz.
175 Jahre Auf und Ab – von den Weltkriegen bis zur DDR
Anfang des 20. Jahrhunderts steht die lokale Industrie auf ihrem vorläufigen Höhepunkt: Manufakturen und spezialisierte Zulieferer ermöglichen eine fast autonome Uhrenproduktion vor Ort, wobei neben Taschen- auch Großuhren, Marinechronometer sowie wissenschaftliche Präzisionspendeluhren hergestellt und weltweit ausgeliefert werden. 175 Jahre Watchmaking Glashütte heißt aber auch, auf die dunklen Kapitel des geschichtsträchtigen Ortes zu blicken. Während der Erste Weltkrieg eine Umstellung auf Kriegsproduktion erfordert und noch einigermaßen glimpflich verläuft, bringt der Zweite Weltkrieg die sinnlose und beinahe völlige Zerstörung Glashüttes. Die Bombardierung durch sowjetische Flieger erfolgt am letzten Kriegstag, dem 8. Mai 1945.
Zunächst scheint es, als könnten die erfinderischen und tatkräftigen Glashütter ihre Industrie wieder zu altem Ruhm zurückführen. Doch die Demontagen, Enteignungen und Verstaatlichungen des Ostblocks zeichnen bald ein völlig neues Bild der örtlichen Industrie: So werden mehrere Firmen – unter ihnen Lange, Urofa und Ufag – zum staatlichen Großbetrieb Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengeführt, der von 1951 bis zur Wende als größter Arbeitgeber der Region hervorsticht und vor allem für das Automatikwerk “Spezimatic” bekannt wird. Ab 1964 produziert, gewinnt es den Ruf als zuverlässiges Arbeitstier und wird in millionenfacher Auflage ins Ausland exportiert – unter anderem als “Meister-Anker” über das Versandhaus Quelle in die BRD. Aber es gibt auch Ausnahmen: So bleibt das Familienunternehmen Mühle bis 1972 in privatem Besitz, bevor es ebenfalls verstaatlicht wird.
Rückkehr zu altem Ruhm: 1990 bis heute
1990 wird mit der Wiedervereinigung eine beispiellose Ära des Aufstiegs und eine Rückkehr zur früheren Größe eingeläutet. So entsteht aus der GUB die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH, die 1994 unter Heinz W. Pfeifer privatisiert und in zwei Marken aufgeteilt wird: Während Glashütte Original eine Renaissance im Luxussegment markiert, spezialisiert sich Uhrenmarke Union auf originelle Mechanikuhren im erschwinglichen Premiumsegment. 2000 werden beide Hersteller von der Swatch Group übernommen und gelangen damit zu internationalem Erfolg. Gleichzeitig etabliert sich A. Lange & Söhne als neue Größe im High-End-Segment: 1994 von Walter Lange, dem Urenkel Ferdinand Adolph Langes ins Leben gerufen, gelingt der Marke mit vier Kollektionen gleich am Anfang ein Paukenschlag an der Spitze der Uhrmacherkunst. 175 Jahre Watchmaking Glashütte auf ihrem Höhepunkt.
Parallel zur Wiedergeburt alter Namen wird das Erzgebirge ein beeindruckender Schauplatz innovativer Firmengründungen. Allen voran Nomos: 1990 eröffnet, spielt der Hersteller im selben Preissegment wie Union und Mühle. Tangente, Tetra, Orion, Ludwig – die Kollektionen der jungen Marke stehen für minimalistische Designs und haben mit ihren eigens entwickelten Manufakturwerken eine wahre Besonderheit im Preisbereich zwischen 1.000 und 4.000 Euro zu bieten. Moderne Simplizität, die einen starken Kontrast zum klassisch orientierten Glashütte Original markiert und damit die hohe Produktvielfalt Glashüttes unter Beweis stellt.
Zu dieser zählt seit 2000 auch Bruno Söhnle: Für ihre hochwertigen Kollektionen im dreistelligen Preisbereich berühmt, ermöglicht die Marke einen stilvollen und respektablen Einstieg in die Faszination des legendären Uhrmacherortes.
“175 Jahre Watchmaking Glashütte”: Sondereditionen der Nomos Ludwig
Von Bruno Söhnle bis A. Lange & Söhne: Die heutige Markenwelt Glashüttes spiegelt 175 Jahre nach Langes wegweisender Gründung genau jene Pracht wider, die sich der Urvater einst vorgestellt hatte. Grund zu feiern gibt es 2020 also mehr als genug. Nomos zelebriert das Jubiläum mit drei Sondermodellen seiner klassischen Ludwig Kollektion: Die “Ludwig 175 Jahre Watchmaking Glashütte” erscheint in drei Größen von 35, 39 und 41 Millimetern Durchmesser, welche jeweils auf 175 Exemplare limitiert sind. Emailleweiße Zifferblätter, gebläute Zeiger und Sichtböden zeichnen eine elegante Serie, die 175 Jahre Erfolgsgeschichte nicht passender repräsentieren könnte.
Im 35 Millimeter-Modell kommt das Handaufzugswerk Alpha mit 43 Stunden Gangreserve zum Einsatz, während die beiden größeren Edition vom DUW 3001 mit reiner Sekundenanzeige (39 Millimeter) und dem DUW 6101 mit zusätzlichem Datum (41 Millimeter) angetrieben werden. Als Highlight der größten Ludwig stechen die römischen Ziffern ihrer Datumsanzeige hervor – ein einzigartiges, wenn auch ungewohnt abzulesendes Feature zur Feier der 175 Jahre. Wir sind schon gespannt, welche Besonderheiten uns zum 200-jährigen Jubiläum der Glashütter Uhrenindustrie erwarten werden.
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