Alte Taschenuhr - Nachfolger vom Nürnberger Ei
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Das Nürnberger Ei und seine Nachfolger

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Wussten Sie, dass die erste Taschenuhr eine Dosenform besaß, um den Hals getragen wurde und den etwas gewöhnungsbedürftigen Namen ‘Nürnberger Ei’ trug? Die Historie der portablen Zeitmessung ist eine jahrhundertealte Geschichte des technischen Fortschritts, die im 16. Jahrhundert begann und bis heute unglaubliche Erfindungen hervorbringt. In diesem Beitrag erkunden wir gemeinsam die Vorläufer der modernen Armbanduhr und zeigen aktuelle Editionen, die wie das Nürnberger Ei von wichtiger Bedeutung für die Horologie sind. Kommen Sie mit auf eine faszinierende Zeitreise, entlang der Sternstunden und Glanzpunkte des Uhrenhandwerks. 

Das Nürnberger Ei: Die erste “Taschenuhr” ist für den Hals

Um 1500 zählt Nürnberg zu den innovativsten Städten Deutschlands und beheimatet den Schlossermeister Peter Henlein, dem bis heute die Erfindung der ersten am Körper tragbaren Uhr zugesprochen wird. Das Meisterwerk, das auf 1511 datiert wird, besitzt jedoch keine Dosen-, sondern die zuvor beliebte Bisamapfel-Form, weshalb Henlein das Nürnberger Ei wahrscheinlich gar nicht konzipierte. Aber was genau ist ein Nürnberger Ei? Das Wichtigste zuerst: Es verfügt über keine Eierform, sondern ähnelt einer Dose.

Dosenförmige tragbare Uhr, früher Peter Henlein zugeschrieben - Das Nürnberger Ei
Von Витольд Муратов – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14892226

Es ist davon auszugehen, dass das Nürnberger Ei seinen Namen dem Wort “Eierlein” verdankt, welches damals in der alltäglichen Sprache statt “Ührlein” benutzt wurde. Die frühesten belegbaren Hinweise auf die dosenförmige, an einer Halskette getragenen Uhr finden sich nach Henleins Tod um 1550. Bis die erste Taschenuhr mit flachem Gehäuse entsteht, sollten nach dem Nürnberger Ei aber noch Jahrhunderte vergehen.

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Vom Klotz zum Athleten: Die Entwicklung der Taschenuhr

Nach der Entwicklung des Nürnberger Eies sollten also noch einige Jahre ins Land gehen, bis der nächste Meilenstein in der Historie des Uhrenhandwerks erreicht wurde. Eine der größten Wegmarken der Horologie ist mit Sicherheit die Erfindung der Spiralfeder im Jahr 1658 durch den niederländischen Astronomen Christiaan Huygens. Zwar führt die Innovation zunächst zu dickeren Uhren, ermöglicht in den nächsten zwei Jahrhunderten aber eine spürbare Verflachung der Taschenuhr – zusammen mit weiteren Neuerungen wie modernen Räderwerken, kompakteren Spiralfedern in Zylinder- und Tonnenform sowie schmaleren Gehäusekonstruktionen.

Mechanische Uhr, Nahaufnahme - Das Nürnberger Ei und seine Nachfolger
© FERNANDO – stock.adobe.com

Mit der steigenden Präzision wird der Stunden- ab 1700 vermehrt um einen Minutenzeiger und gegen Ende des 18. Jahrhunderts um einen zusätzlichen Sekundenzeiger ergänzt. Eine der heutzutage ältesten Marken, Longines, wird 1832 gegründet und baut die erste Taschenuhr in jenem Design, wie es uns im 21. Jahrhundert noch vertraut erscheint. Als Ferdinand Adolph Lange im Jahr 1845 die Glashütte Uhrenindustrie begründet, hat der tragbare Zeitanzeiger im Wesentlichen seine finale Form erreicht.

Sprungdeckel-Taschenuhr, Longines (1909) - Das Nürnberger Ei und seine Nachfolger
Von Play It Again, SPAM – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47816496

Glashütte: Katalysator der Uhrenentwicklung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt die sächsische Kleinstadt einen beispiellosen Boom. Unternehmerische Größen wie Julius Assmann, Moritz Großmann und Johannes Dürrstein lassen neue Uhrenfabriken wie Pilze aus dem Boden sprießen. Dürrstein, der 1874 einen Exklusivvertrag zum Verkauf von Lange-Zeitanzeigern aushandelt, gründet 1893 seine eigene Manufaktur Union Glashütte und konstruiert spektakuläre Chronometer und Tourbillons.

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Heute erinnert die Traditionsmarke mit der Union Glashütte 1893 Johannes Dürrstein Edition an die historischen Leistungen ihres Urvaters. Die Gründung der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte im Jahr 1878 beschleunigt den Aufstieg der horologischen Stadt, indem tausende neue Talente ausgebildet werden und so die Weichen für das 20. Jahrhundert gestellt werden.

Union Glashütte 1893 Johannes Dürrstein Edition  Union Glashütte 1893 Johannes Dürrstein Edition Chronograph

Von der Tasche ans Handgelenk: Das frühe 20. Jahrhundert

Einer der größten Absolventen der Uhrmacherschule ist Alfred Helwig, der in den 1920er-Jahren das fliegende Tourbillon entwickelt. Seine Innovation fällt in eine Zeit, die vom stärksten Umbruch in der Geschichte der mobilen Zeitmessung geprägt ist: Dem Weg von der Taschen- zur Armbanduhr. Doch die Revolution findet nicht in Sachsen statt, wo man das Potenzial des Armbands zu spät erkennt, sondern im und über dem Atlantik: Während Rolex seine Wasserdichtigkeit am Handgelenk der Extremschwimmerin Mercedes Gleitze unter Beweis stellt, die 1927 mehr als acht Stunden mit der Oyster im Ärmelkanal verbringt, gelingt Charles Lindbergh im selben Jahr der erste Nonstop-Atlantiküberflug. Während des Abenteuers trägt er eine Longines Stundenwinkeluhr am Handgelenk. Heute erinnern die Heritage Uhren der Schweizer Premiummarke Longines an diese wegweisende Errungenschaft.

Rolex Oyster Perpetual 41       Longines Heritage Legend Diver

Pure Eleganz: Die moderne Armbanduhr wird geboren

500 Jahre, nachdem die erste Taschenuhr erfunden wird, erreicht die Form der Armbanduhren ihre Vollkommenheit. Wie elegant es schon in den 1930er-Jahren zuging, demonstriert die Junghans Meister: Bis heute prominent in der Kollektion des Schwarzwälder Herstellers vertreten, wird sie 1936 vom “Uhren-Architekten” Anton Ziegler auf klare Lesbarkeit und sachliche Schönheit ausgelegt – Grundsätze, die bis heute den Kern einer jeden Dresswatch darstellen.

Junghans Meister Gangreserve Junghans Meister Classic Terrassenbau

Gleichzeitig schreitet der technische Fortschritt in atemberaubendem Tempo voran, wie die 1934 lancierte Mido Multifort beweist: Wasserdicht, stoßfest und antimagnetisch konstruiert, gibt sie den robusten Ton für die nachfolgenden Jahrzehnte an. Ihre heutigen Nachfolger wie beispielsweise die noble Mido Multifort Patrimony zeugen von der Ingenieurskunst des frühen Meisterwerks.

MIDO Multifort Patrimony

Nachkriegszeit: Die Geburt legendärer Armbanduhren

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt die Uhrenwelt eine Designsprache, die bis heute den Markt dominiert und in einer unglaublichen Vielfalt erscheint. Während Dresswatches wie die Tissot Visodate in den 50er-Jahren ihre fließenden Formen entwickeln und bis zum aktuellen Tage in den Kollektionen der Hersteller vertreten sind (z.B. die Tissot Heritage Visodate), erreichen Taucheruhren ungeahnte Tiefen und Fliegeruhren wie die Breitling Navitimer weltweite Berühmtheit. Die Uhrenwelt wird bunter. Große Komplikationen erleben ihr Comeback, Quarzuhren rütteln ab den 1970er-Jahren die Branche auf und neue Materialien wie Keramik oder Titan finden ihre Wege ans Handgelenk.

Tissot Heritage Visodate Quartz  Breitling Navitimer 1 Automatic 41

Die Horologie des 21. Jahrhunderts bietet von 100 Euro bis in den Millionenbereich eine nie dagewesene Varietät an Zeitanzeigern, die zum Tauchen, Fliegen, Rechnen und manchmal nur zum guten Aussehen gebaut sind. Ist unsere ganze Faszination der Uhrmacherkunst, wie wir sie heute kennen, auf das Nürnberger Ei zurückzuführen? Zum Teil sicherlich. Denn niemand weiß, wie unsere modernen Zeitanzeiger aussehen würden, wäre die erste Taschenuhr in einer anderen Form entwickelt worden.

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