«Deutscher Uhrenpionier im Auftrag der Präzision»
Er ließ die erste Quarzuhr für Automobile konstruieren, rettete mit IWC und Jaeger-LeCoultre zwei Schweizer Giganten und trieb nach der Wende die Wiederbelebung der Glashütter Uhrentradition voran. Dennoch kennen nur die wenigsten Enthusiasten seinen Namen. Wir bringen Licht ins Dunkle und blicken auf die bewegte Karriere eines Ingenieurs, der die moderne Horologie an vielen Fronten entscheidend prägte – Albert Keck.
Von Junghans nach VDO Frankfurt: Der schnelle Aufstieg
1928 in Dunningen, einem idyllischen Städtchen nahe Rottweil im mittleren Schwarzwald geboren, wird Keck gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit 16 Jahren als Soldat eingezogen. Er überlebt den Schrecken und startet eine rasante Karriere in der Uhrenwelt: Während eine Lehre bei Junghans im benachbarten Schramberg die ersten praktischen Erfahrungen liefert, folgt das Fachwissen im Rahmen eines Ingenieurstudiums an der Staatlichen Uhrmacherschule Furtwangen. Dort absolviert Albert Keck 1950 seine Diplomarbeit, für welche er die Werke von Jubiläumsweckern anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Uhrmacherschule konstruiert.
Die guten Leistungen des Schülers werden honoriert: Direkt nach seinem Studium bekommt Keck eine Empfehlung des Furtwanger Schuldirektors Friedrich Aßmus für eine Stelle als Ingenieur bei VDO Frankfurt. Diesem Unternehmen, das heute unter dem Namen VDO Automotive firmiert und die Automobilelektronik für Continental produziert, bleibt der talentierte Techniker jahrzehntelang treu. Damals liegt der Fokus auf Tachometern und anderen Instrumenten, deren Entwicklung Albert Keck auf verschiedenen Ebenen vorantreibt: Ab 1956 als Konstruktionsleiter, drei Jahre später in der Rolle des Chefingenieurs und ab 1966 als Geschäftsführer. Parallel zu seinem rasanten beruflichen Aufstieg studiert Keck noch Mathematik und Physik.
Kecks radikaler Entschluss
Eine große Herausforderung seiner Karriere wird die mangelnde Präzision damaliger Automobiluhren. Von Schwenninger Produzenten zugekauft, weisen die elektrischen Instrumente eine extreme Empfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen und Stößen auf, was in einer täglichen Gangabweichung von ein bis zwei Minuten resultiert. Eine massive Ungenauigkeit, die angesichts der Verbreitung von Autoradios in den 1960er-Jahren zu einem spürbaren Problem wird – wer will schon die 18-Uhr-Nachrichten hören, wenn der Zeitanzeiger erst 17:58 meldet?
Weil die Schwenninger Zulieferer unfähig sind, präzisere Instrumente zum damals üblichen Einkaufspreis von rund 10 Mark anzubieten, trifft Albert Keck einen radikalen Entschluss: VDO soll seine Automobiluhren fortan selbst fabrizieren. Um die gewünschte Genauigkeit zu erreichen, kommen für diesen Zweck nur Quarzuhren infrage – eine Technologie, die in den 60ern einen futuristischen Charakter besitzt und auf dem Markt nur von wenigen Anbietern zu horrenden Preisen vertrieben wird. Seikos Crystal Chronometer kostet beispielsweise 1.500 Mark.
Erstmals präzise Uhren im Auto
Wie soll dem Frankfurter Unternehmen der Einstieg in eine solch komplexe Technik gelingen? Der Uhrenpionier Keck weiß die Lösung und leitet eine Kooperation mit dem niederländischen Elektrokonzern Philips sowie dem US-amerikanischen Halbleiterproduzenten SSS in die Wege. Nach vierjähriger Entwicklungszeit entstehen 1969 die ersten funktionstüchtigen Modelle, welche ein Jahr später in die Serienfertigung gehen und VDO bis 1975 ein Monopol auf erschwingliche Quarzuhren für die Automobilbranche sichern. Auch der Einstieg konkurrierender Hersteller ändert nichts an der Vormachtstellung des Frankfurter Unternehmens, welches zum weltweit größten Produzenten dieses Fachgebiets aufsteigt und bis 1985 satte 30 Millionen Uhren absetzt. Heute steht die erste Quarzuhr für Automobile im Deutschen Uhrenmuseum Furtwangen und erinnert an eine Erfolgsgeschichte, die ohne Albert Keck nicht eingetreten wäre.
Neues Leben für IWC und Jaeger-LeCoultre
Eine noch wichtigere Rolle spielt der Uhrenpionier ab 1974 in der Funktion des Vorstandsvorsitzenden von VDO Frankfurt. Zu einer Zeit, als die Quarzkrise ihre volle Schlagkraft entfaltet und zur Existenzbedrohung vieler Schweizer Uhrenmarken wird, entschließt sich Keck zur Übernahme der Branchengrößen IWC und Jaeger-LeCoultre. Beide Luxushersteller leiden damals stark genug unter der elektronischen Revolution, um sich gezwungenermaßen von ihren mechanischen Wurzeln zu entfernen und selbst Quarzuhren herzustellen – mit mäßigem Erfolg. Ab 1978 mehrheitlich zur VDO gehörend, können sie die schwierigsten Jahre überleben und ihren Fokus im Laufe der 80er-Jahre wieder auf mechanische Kreationen lenken. IWCs Wiederaufstieg ist maßgeblich auf den deutschen Unternehmer Günter Blümlein zurückzuführen, der von Albert Keck für die Leitung des Herstellers ausgewählt wird und ebenfalls die Furtwanger Uhrmacherschule absolvierte.
Lange & Söhne und die Glashütter Renaissance
Die Krönung seiner Karriere erreichte Keck nach der Deutschen Wende, als die zwanghafte Verstaatlichung der Glashütter Uhrenbetriebe Geschichte ist und neue Perspektiven für das sächsische Uhrmacherstädtchen auftauchen. Zusammen mit Günter Blümlein und Walter Lange, dem Urenkel des legendären Firmengründers Ferdinand Adolph Lange (1815-1875), organisiert Albert Keck eine glanzvolle Rückkehr der lokalen Uhrenindustrie: So entsteht 1990 das Unternehmen A. Lange & Söhne, dessen Fokus auf High-End-Luxusuhren im Geiste der glorreichen Vorkriegsjahre liegt. Bis die Marke im Jahr 2001 von der Richemont-Gruppe übernommen wird, gehören 90 Prozent ihrer Anteile zu VDO Frankfurt. A. Lange & Söhne liefert nicht nur den Startschuss für eine florierende Glashütter Uhrenindustrie, sondern fungiert bis heute als Aushängeschild für das Weltklasse-Niveau deutscher Zeitanzeiger.
1991 wird der gesamte Besitz der VDO an die Mannesmann AG verkauft, bevor letztere 2001 von Vodafone übernommen und VDO in den Siemens-Konzern integriert wird. Bis 2008 tritt der Hersteller unter dem Namen VDO Automotive AG als eigenständiges Unternehmen in Erscheinung. Anschließend wird er von Continental übernommen, wo er für Automobilelektronik verantwortlich ist. Und Albert Keck? Der Pionier bleibt vor allem als Wegbereiter und Retter der modernen Uhrenindustrie in Erinnerung. Am 27. Dezember 2018 stirbt er im Alter von 90 Jahren.