« Harder und die 400-Tage-Uhr »
Mit der Erfindung der Pendeluhr, die im Jahr nur einmal aufgezogen werden muss, schuf Anton Harder ein Modell, das sich gerade wegen den optischen Vorzügen einer großen Beliebtheit erfreut. Das war aber nicht immer so. Aufschlussreiches zur Geschichte dieser Uhr und zur Person Anton Harder lesen Sie hier.
Wie in vielen anderen Bereichen von Wissenschaft und Technik gab es auch in der Geschichte der Horologie Menschen, die mit ihrem Erfindungsgeist der Zeit weit voraus waren und Uhren ersannen, die erst dann tatsächlich in Serie gebaut werden konnten, als die Technik etwas reifer und fortgeschrittener war. Anton Harder war ein solcher Pionier. Mit seiner Drehpendeluhr, die auch als Jahresuhr oder 400-Tage-Uhr bezeichnet wird, schuf er eine Kreation, die erst spät die zustehende Beachtung fand.
Anton Harder – Landwirt, Reisender und Erfinder
Am 16. September 1811 wurde Anton Harder in Sankt Petersburg geboren. Seine Familie stammte ursprünglich aus Deutschland und folgte dem Einladungsmanifest, das Katharina II. erließ, da dieses Religionsfreiheit, Sprachfreiheit, Selbstverwaltung und andere Vergünstigungen versprach. Harders Vorfahren ließen sich so zunächst in Reval und später in Sankt Petersburg nieder, wo sie vor allem als Kaufleute und Ärzte arbeiteten. Anton Harder selbst ergriff zunächst den Beruf des Landwirtes, weil sein Schwiegervater das wünschte. Als 1871 der Deutsch-Französische Krieg vorüber war, reiste Harder nach Frankreich, wo er seine große Idee ersann. Die Überlieferung berichtet, dass er auf den Maashöhen lag, das ehemalige Schlachtfeld von Sedan im Blick und über die Deutschen und ihre Geschichte nachdachte.
Er zupfte an einem Grashalm, der aus dem Boden sprießte. Da an dessen Wurzelballen noch der Boden eines Schrapnells hing und sich der Halm mit einer Drehbewegung durch denselben gearbeitet hatte, lieferte diese kleine Beobachtung die Inspiration für die Erfindung des Torsionspendels. Harder kam auf sein Gut nach Schlesien zurück und richtete sich in einem Flügel des Hauses eine Uhrmacherwerkstatt ein, wo er seine Ideen für die Drehpendeluhr in die Tat umsetzte.
Die Drehpendeluhr
Es ist noch gar nicht so lange her, als Anfang der 1980er Jahre moderne Ausführungen mit Drehpendel in Mode kamen. Bei diesen drehte sich das Pendel mit seinen Kugeln zwar noch wie bei einer echten Drehpendeluhr um seine Achse, war jedoch ohne wirkliche Bedeutung, da der Antrieb der Zeitanzeiger meistens über eine eingebaute Batterie erfolgte. Dennoch war es ein überaus ästhetischer Zusatz, der sich bei Uhrenliebhabern großer Beliebtheit erfreute. So fand sich eine solche Jahresuhr in vielen Haushalten auf dem Regal, Kamin oder Tisch und wurde in ihrer einzigartigen Schönheit bestaunt. Ursprünglich sind diese Drehpendeluhren bereits fast 150 Jahre alt. Ihr Erfinder Anton Harder erhielt das Patent für das Torsionspendel 1877 zusammen mit Lorenz Jehlin. Trotzdem dauerte es noch fast zwanzig Jahre, bis eine Fertigung in Serie möglich war.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war eine 400-Tage-, beziehungsweise Jahresuhr – wie die Drehpendeluhr ebenfalls genannt wurde – sowohl in Deutschland, aber auch in Großbritannien und in den USA eine beliebte Uhr. Das Torsionspendel mit seinen vier kleinen Kugeln, das sich entweder im Takt von 30 oder 15 Sekunden dreht und damit für den Antrieb sorgt, war damals schon etwas ganz Besonderes. Allerdings musste die Jahresuhr der damaligen Zeit häufig nachjustiert werden, da sie nicht sonderlich genau ging.
Wie funktioniert eine Jahresuhr mit Drehpendel?
Die tatsächliche Gangzeit einer Drehpendeluhr ist nicht immer genau ein Jahr, sondern bei manchen Modellen auch etwas länger oder kürzer. Doch solch ein Zeitanzeiger ist schon allein wegen seines Drehpendels sehr beliebt. Dieses übernimmt die gleiche Funktion wie das Pendel einer klassischen Pendeluhr, nur dass hier das Gewicht nicht hin und her schwingt, sondern sich um eine Stange dreht. Das Torsionspendel, wie es auch genannt wird, versorgt das Uhrwerk mit dem nötigen Antrieb. Damit die Uhr ein Jahr laufen kann, muss die Reibung des Pendels so gering wie möglich gehalten werden. Gleichzeitig schwingt dieses deutlich langsamer und verbraucht so ebenfalls weniger Energie.
Das Drehpendel besteht aus einem rotierenden Gewicht, aufgehängt an einem flachen Band aus Metall. Damit ist für eine äußerst geringe Reibung gesorgt, ähnlich wie bei der Spiralfeder einer Uhr, die von einer Unruh angetrieben wird. Das Pendelgewicht rotiert und tordiert dabei das Band aus Metall, das eine gegenläufige Kraft zur Drehung darstellt und das sehr klein gehalten werden kann. Somit nimmt die Schwingung eines Drehpendels deutlich mehr Zeit in Anspruch und die Uhr läuft länger. In der Regel braucht das Torsionspendel für eine Umdrehung einen 15- oder auch 30 Sekundentakt. Soll die Frequenz der Schwingung verändert werden, muss die Masse des Drehpendels verändert werden. Die Jahresuhr lässt sich bei den Modellen, bei denen vier Kugeln schwingen, über den Abstand der Kugeln einstellen. Bei älteren Ausführungen kann die Masse auch eine flache Scheibe sein, auf der zwei Gewichte für die Regulierung angebracht sind, die sich mit Hilfe einer Gewindestange verstellen lassen.
Der späte Erfolg der Drehpendeluhr
Harder und Jehlin hatten das Drehpendel mit der Aufhängung an einer Blattfeder entwickelt und 1877 in Berlin als Patent angemeldet. Da Jehlin kurze Zeit später starb, trat dessen Vater als Erbe die Patentrechte an Harder ab. Harder suchte in Folge dessen eine Firma, die eine Jahresuhr als Drehpendeluhr herstellen sollte und fand diese im Unternehmen Willmann & Co. im schlesischen Freiburg. Von der 400-Tage-Uhr fertigte Willmann ungefähr 300 Exemplare, doch viele der Kunden bemängelten die fehlende Ganggenauigkeit. Deswegen stellte A. Willmann & Co. ab 1881 die weitere Produktion ein. Andere Uhrenfirmen versuchten sich ebenfalls in der Herstellung der 400-Tage-Uhr, doch die Konstruktionsmängel blieben erhalten.
Die ersten wirklich funktionsfähigen Exemplare einer Jahresuhr wurden 1882 von der Firma Wintermantel & Co gefertigt. Ein Jahr später verkaufte Anton Harder sein Patent an den niederländischen Kaufmann Ferdinand Arnold Ludwig de Gruyter, der die besonderen Uhren im großen Stil produzieren lies. Harder starb 1888 in Steinau und erlebte leider nicht mehr, wie die von ihm entwickelte Jahresuhr in der nachfolgenden Zeit zu einem echten Erfolg avancierte und von verschiedenen Unternehmen im großen Stil nach seinen Vorstellungen angefertigt wurden.