« Der Reiz am Uhren sammeln »
Für manche ist sie eine Wertanlage, für andere eine wundervolle Verkörperung von Design, Technik und Geschichte: Jede Uhrensammlung ist so individuell wie ihr Besitzer und eröffnet grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten. Von historisch bis modern, von erschwinglich bis luxuriös – wir erklären die Gründe des Sammelns, geben Ratschläge zum Aufbau einer eigenen Kollektion und blicken hinter die Faszination des wohl schönsten Hobbys der Welt.
Viel mehr als nur Exklusivität: Die Gründe fürs Sammeln
Ist es der Reiz des Prahlens, das schiere Bedürfnis nach Exklusivität oder steckt vielleicht mehr dahinter? Viele Laien und junge Enthusiasten wissen die enormen Investitionen vieler Uhrensammler nicht so recht einzuordnen. Kein Wunder, denn die fünf- oder gar sechsstelligen Werte mancher Kollektionen überschreiten den Kapitalbedarf gewöhnlicher Hobbys um ein Vielfaches.
Häufig versteht man die Tiefe der horologischen Leidenschaft erst mit verstreichender Zeit und wachsender Reife – eine Weisheit, die den Eltern Jean-Claude Bivers wohl bestens bekannt war.
So bekam der „Godfather“ der Schweizer Uhrenindustrie seinen ersten Zeitanzeiger – eine Omega – bereits zur Kommunion geschenkt, durfte sie aber erst zum 18. Geburtstag aus dem Safe holen. Heute umfasst seine private Uhrensammlung hunderte Exemplare. Was in Bivers Fall eine Mischung aus persönlicher Begeisterung und beruflicher Verbindung ist, kann für jeden Uhrensammler eine andere Motivation sein.
Wir möchten hier zwischen drei Typen von Uhrensammlern unterscheiden: Die Investoren, die Lifestyle-Sammler und die Liebhaber. Abhängig vom jeweiligen Antrieb, können die Kollektionen sehr unterschiedliche Züge annehmen. Steht beispielsweise die Wertsteigerung im Vordergrund, ist eine sehr sorgfältige Auswahl aussichtsreicher Marken und Modelle gefragt. Gleichzeitig tendieren Investoren häufig zur starken Spezialisierung ihrer Uhrensammlung: Während manche nur Patek Philippe oder Rolex sammeln, fokussieren sich andere auf einen bestimmten Uhrentyp (wie etwa Diver oder Chronographen) oder eine Ära.
Eine valide Strategie, denn ähnlich wie bei kindlichen Sammelheften kann Vollständigkeit zu einer Wertsteigerung über die Einzelwerte hinausführen. So gelang es einem Luxemburger Sammler im Jahr 2015, seine 5.800 Exemplare umfassende Swatch-Sammlung für umgerechnet 5,5 Millionen Euro auf einer Versteigerung in Hong Kong an den Mann zu bringen.
Von Lifestyle bis Liebhaber: Die Freiheit ist unbegrenzt
Der potenziellen Lukrativität des finanziellen Motivs stehen jedoch zwei Kehrseiten gegenüber. Erstens wird die Freiheit der möglichen Sammlerstücke auf einen kleinen Teil des Marktes reduziert, zweitens tendieren die Zeitanzeiger zum Verlust ihrer Faszination, da sie die meiste Zeit ihres Lebens in einem dunklen Tresor verbringen. Ein Problem, mit dem der Typ des Lifestyle-Uhrensammlers nicht konfrontiert ist: Er nutzt seine Uhrensammlung zum Ausdruck seiner Persönlichkeit. Die unglaubliche Marken- und Modellvielfalt der Branche erlaubt es ihm, seinen einzigartigen Stil – egal ob sportlich, elegant oder sachlich – am Handgelenk zu verewigen und je nach Stimmung oder Kleidungsstil den Zeitanzeiger zu wechseln.
Am spannendsten wird es, wenn wir die Uhrensammler unserer dritten Gruppe unter die Lupe nehmen – die Liebhaber. Ihre Kollektion ist häufig mit einer lebenslangen Passion verknüpft, die einen engen Bezug zu mehreren Aspekten der Horologie besitzt. Nicht nur die ästhetischen, sondern auch technischen und historischen Eigenschaften der Modelle stehen dabei im Vordergrund: Die monatelange Handarbeit eines Haute-Horlogerie-Automatikwerks, die Seltenheit und Komplexität einer Minutenrepetition und die jahrhundertelange Geschichte von Spitzenmarken wie Breguet oder Blancpain reißen sie in ihren Bann.
Beim Uhren sammeln genießen Liebhaber die volle Freiheit: Während viele Enthusiasten eine bunte Variation an Marken und Modellen bevorzugen, spezialisieren sich andere – aber nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus Begeisterung für einen bestimmten Typ von Zeitanzeigern.
Eigene Uhrensammlung aufbauen: Unsere Tipps
Wie so viele Leidenschaften, entwickelt sich Uhren sammeln über die Zeit. Wer zum ersten Mal fliegt, sitzt nicht im Cockpit eines Airbus A380. Wer zum ersten Mal Fahrrad fährt, macht dies nicht als Teilnehmer der Tour de France. Und so stehen auch frische Uhrensammler vor der Entscheidung ihres ersten Zeitanzeigers, der im Normalfall keine Grande Complication für 100.000 Euro sein wird. Und auch nicht sein sollte. Wir empfehlen jedem neuen Uhrensammler, zunächst ein Gefühl für das Hobby zu bekommen und die Dauerhaftigkeit seiner horologischen Faszination zu überprüfen.
Es ist ganz normal, dass manche Leidenschaften im Leben kommen und gehen – ärgerlich nur, wenn man da bereits Unsummen für das erste Meisterstück ausgegeben hat. Traditionsreiche Hersteller wie Nomos, Oris, Junghans oder Hamilton ermöglichen einen qualitativ erstklassigen Einstieg ins Hobby und erlauben dem Uhrensammler später, die höheren Standards von Luxusmarken wie Breitling oder Omega überhaupt wertzuschätzen.
Stichwort höher: Eine beliebte und sinnvolle Strategie auf dem Weg zum Patek Philippe oder Rolex sammeln ist das „Hochkaufen“.
Dabei sollten nicht unbedingt wertsteigernde, aber wenigstens wertbeständige Modelle gekauft werden. Durch den späteren Verkaufserlös muss weniger neues Kapital in einen wertvolleren Zeitanzeiger investiert werden – eine konstante Sparrate genügt also, um eines Tages ohne besonderen Reichtum zur Traumuhr zu gelangen. Dies erfordert allerdings die Präferenz für eine kleinere Uhrensammlung, da gewissermaßen auf „Qualität statt Quantität“ gesetzt wird.
Gebrauchte Uhren: Eine valide Option?
Will man beides, lockt der Gebrauchtmarkt mit verführerischen Schnäppchen renommierter Hersteller. Da Betrug im Uhrenmarkt jedoch keine Seltenheit ist, empfehlen wir eine gewisse Erfahrung vor dem ersten Einstieg in gebrauchte Zeitanzeiger. Trotz überzeugender Bilder und scheinbar seriöser Angebote passiert es leider häufig, dass frische Uhrensammler direkt am Anfang ihrer Leidenschaft die Katze im Sack kaufen und eine massive Enttäuschung erleben.
Wer kein Kenner ist und den Zustand des Modells nicht selbst ermitteln kann, muss daher auf die Reputation und das Vertrauen in den Händler setzen. Unterm Strich heißt das: Möchte man seine Uhrensammlung mit gebrauchten Modellen aufbauen, steigen Chancen und Risiken gegenüber neuen Uhren gleichermaßen.