« Vielfalt der „zweiten Gesichter” »
Keine Frage, das Zifferblatt ist das “Gesicht” der Uhr. Doch gerade bei hochwertigen Luxusuhren lohnt sich oftmals auch ein Blick auf deren Rückseite. Denn viele renommierte Uhrenhersteller widmen dem Gehäuseboden weitaus mehr Aufmerksamkeit, als aus rein praktischen Erwägungen notwendig wäre. Teils gewähren die Böden faszinierende Einblicke in das Innere einer Uhr, teils sind sie mit interessanten Informationen versehen oder mit bildlichen Darstellungen geschmückt. Wir werfen für unsere Leser einen Blick auf die “zweiten Gesichter” verschiedener Luxusuhren von Marken wie Breitling, Chopard, Junghans, Omega und Rolex.
Funktion und Bau des Gehäusebodens
Unter praktischen Gesichtspunkten ist der Gehäuseboden einer Armbanduhr nichts anderes als der rückseitige Abschluss des Uhrengehäuses und dient – wie dieses insgesamt – vor allem dem Schutz der Uhr beziehungsweise des Uhrwerks. In den meisten Fällen sind Uhrengehäuse dreiteilig konzipiert und bestehen neben dem Boden aus einem Gehäusemittelteil sowie der Lünette mit dem Uhrglas. Zwischen den einzelnen Teilen befinden sich Dichtungen, die das Gehäuseinnere gegen eindringenden Staub und andere Verschmutzungen sowie gegebenenfalls auch gegen eindringendes Wasser abschirmen. In der Regel lässt sich der Boden bei Uhrenmodellen mit dreiteiligem Gehäuse abnehmen, um beispielsweise eine Reparatur durchzuführen, die Uhr zu reinigen oder – bei Quarz Uhren – die Batterien zu wechseln.
Darüber hinaus gibt es jedoch auch sogenannte einschalige Uhrengehäuse, die von Fachleuten als Monocoque-Gehäuse bezeichnet werden. Sie bieten den Vorteil, dass Gehäuse und Boden eine Einheit bilden und somit dazwischen keine Dichtung erforderlich ist. Monocoque-Gehäuse kommen daher vor allem bei Taucher- und Sportuhren zum Einsatz, bei denen großer Wert auf Wasserdichtigkeit und Robustheit gelegt wird. Alternativ kann der Gehäuseboden bei einer solchen Uhr verschraubt und mit entsprechend widerstandsfähigen Dichtungen versehen werden. Die geometrische Form des Gehäusebodens entspricht in der Regel der des Gehäuses; sie kann also zum Beispiel rund, hoch- oder querrechteckig, quadratisch, oval oder tonnenförmig sein.
Glas, Metall und mehr – die Materialien für Gehäuseböden von Uhren
Das naheliegende Material für einen Gehäuseboden ist das, aus dem auch das Uhrengehäuse besteht. Bei den meisten hochwertigen Uhren ist dies Edelstahl. Bei Uhren aus massivem Gold oder aus Keramik dagegen werden die Böden entsprechend aus diesen Materialien gefertigt. Bei hochwertigen mechanischen Uhren werden zudem seit einigen Jahren immer häufiger sogenannte Sichtböden aus Saphirglas verwendet, die einen Blick auf das Uhrwerk erlauben.
Einer der ersten Hersteller im Luxussegment, die in größerem Stil Sichtglasböden verbauten, ist Maurice Lacroix. Da der Boden beim Tragen einer Uhr direkt am Handgelenk anliegt und somit nicht sichtbar ist, wäre eine schlichte glatte Fläche ohne weitere Verzierung eigentlich völlig ausreichend. Trotzdem belassen es nur wenige Hersteller dabei. Viele Uhrenmanufakturen nutzen stattdessen den Boden, um darauf bestimmte Informationen wie etwa Limitierungsnummern oder Angaben zur Wasserdichtigkeit, Firmenlogos, Modellbezeichnungen oder unterschiedliche Bildmotive unterzubringen.
Kenntnisse darüber, wie ein bestimmter Hersteller seine Gehäuseböden gestaltet, können für Uhrenliebhaber und -sammler vor allem dann wichtig sein, wenn es um die Unterscheidung echter Markenuhren von Fälschungen geht.
Rolex Uhren – niemals mit Glasboden
Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist Rolex. Das hohe Prestige dieser Marke lockt seit jeher Scharen von Fälschern an, die sich darin versuchen, die Uhren mit dem Kronen-Logo möglichst detailgetreu zu imitieren. Dabei unterlaufen ihnen allerdings immer wieder typische Fehler – gerade auch im Hinblick auf den Gehäuseboden. Dieser ist bei Rolex nämlich traditionell glatt und ohne jegliche Gravuren. Offenbar fällt es manchen Fälschern jedoch schwer zu glauben, dass eine so wertvolle Uhr nur einen schlichten, unverzierten Boden haben könne, sodass sie bei ihren Fälschungen gern ein Rolexkrönchen oder etwas Ähnliches in den Boden gravieren.
Eine Rolex mit graviertem Boden kann daher nur in Ausnahmefällen echt sein, wenn sie beispielsweise mit einer persönlichen Widmung oder einer ähnlichen individuellen Gravur versehen ist oder zu einer jener Uhrenserien gehört, die eigens für bestimmte Abnehmer gefertigt und dafür mit entsprechenden Kennzeichnungen versehen wurden. Beispiele dafür sind etwa die Sondermodelle der Linien Submariner und Sea-Dweller, die für die britische Marine beziehungsweise für das auf Tauchgänge in großen Tiefen spezialisierte Unternehmen Comex hergestellt wurden und die militärische Kennzeichnungen oder den Unternehmensnamen auf dem Gehäuseboden tragen.
Auf einigen Damenmodellen aus den 1990er Jahren findet sich zudem der eingravierte kreisförmige Schriftzug “Original Rolex Design”, und bei manchen Sea-Dweller-Modellen ist am Rand des Bodens “Rolex Oyster Original Gas Escape Valve” – ein Hinweis auf das Heliumventil – zu lesen. Teilweise werden auch angebliche Rolex Uhren mit Glasböden angeboten, obwohl dieser Hersteller bei seinen Uhrenmodellen bislang komplett darauf verzichtet.
Omega: Gehäuseböden in großer Vielfalt
Im Sortiment von Omega dagegen gibt es inzwischen zahlreiche Modelle mit Glasböden. Daneben finden jedoch auch – vor allem bei den Taucheruhren der Seamaster-Kollektion – Edelstahlböden Verwendung. Bei einer Seamaster Professional ist darauf häufig eine charakteristische Seepferdchen-Darstellung zu sehen, die auf den maritimen Einsatzbereich dieser Uhren anspielt. Das Motiv taucht jedoch bei einigen anderen Modellen ebenfalls auf.
Für limitierte Sondermodelle lassen sich die Uhrmachermeister von Omega häufig etwas besonders Originelles einfallen. So erinnert beispielsweise der Gehäuseboden der Omega Seamaster Diver 300m James Bond 007 Collector’s Piece an einen stilisierten Pistolenlauf, in dessen Mitte die Rückseite einer Patrone zu sehen ist.
Auf der Speedmaster Professional, die als “Moonwatch” und Astronautenuhr berühmt geworden ist, findet sich häufig ein eingravierter Hinweis darauf, dass dieses Modell von der NASA als offizielle Uhr für ihre bemannten Weltraummissionen ausgewählt wurde.
Und zum 45. Jahrestag der von Gene Cernan geleiteten Mond-Mission von Apollo 17 im Jahr 1972 erschien eine limitierte Sonderauflage, bei der auf dem Gehäuseboden neben einem Emblem der Mission und den eingravierten Schriftzügen “45th ANNIVERSARY” sowie “a tribute to Gene Cernan” ein Medaillon mit einer Darstellung des Apollo zu sehen ist.
Breitling, Chopard, Junghans & Co. – Gehäuseböden weiterer Luxusuhrenlabels
Ähnlich verfährt Breitling, wo mittlerweile zahlreiche Uhrenmodelle mit Saphirglasböden ausgestattet werden, daneben aber auch häufig Edelstahlböden mit Gravuren zu finden sind, die zum Beispiel auf limitierte Sondereditionen oder besondere Serien wie z. B. das Breitling for Bentley Label hinweisen.
Bei Chopard findet sich eine schlichte, aber originelle Lösung auf der Rückseite der Happy-Ocean-Modelle. Dort stehen in schlichten Schriftzügen nur der Unternehmensname, die Modellbezeichnung Happy Ocean sowie die Nummer des Exemplars. Darüber hinaus wird der Boden von zarten Wellenlinien überzogen, die an das Spiel der Wellen auf der Meeresoberfläche erinnern.
Bei Junghans geht man bei der Gestaltung der Böden meist eher zurückhaltend vor und beschränkt sich auf wenige Angaben wie den Firmennamen oder die Referenznummer. Junghans Max Bill Uhren tragen jedoch in der Mitte des Bodens die eingravierte Signatur des berühmten Designers.
In einigen Fällen zieren bestimmte Motive die Uhren einzelner Hersteller schon seit vielen Jahrzehnten und Modellgenerationen, wie etwa die Schildkröte auf den Böden von nach dem DS-Konzept gebauten Uhren von Certina oder der Seestern auf den Ocean-Star-Modellen von Mido. Teilweise kehrten die Hersteller nach mehrjährigen Unterbrechungen wieder zu traditionellen Designs ihrer Gehäuseböden zurück, nachdem sie zwischenzeitlich nüchternere Lösungen bevorzugt hatten. All diese Veränderungen können Sammlern wichtige Hinweise auf die Datierung einzelner Vintage-Modellen geben. Das “zweite Gesicht” der Uhr ist also allemal einen Blick wert.