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Die Frequenz zählt zu den wichtigsten Eigenschaften eines mechanischen Uhrwerks und beeinflusst nicht nur Präzision und Gangreserve, sondern auch den Verschleiß und die Robustheit des Zeitanzeigers. Aber was genau unterscheidet hoch- von niederfrequenten Kalibern? Wir erklären das Konzept der Schlagzahl, ob hohe Frequenzen wirklich immer eine bessere Genauigkeit bedeuten und warum niederfrequente Uhren manchmal von Vorteil sein können.
Frequenzen und Halbschwingungen: Der Zusammenhang
Durchstöbert man die Produktbeschreibungen von Handaufzugs- oder Automatikuhren, so trifft man jedes Mal auf die Angabe der Halbschwingungen pro Stunde. Was erfahrenen Sammlern geläufiger als der Reifendruck beim Auto ist, stellt neue Uhrenbegeisterte häufig vor die Frage nach der genauen Bedeutung. Das Prinzip der Halbschwingungen ist leicht erklärt: Sie geben an, wie oft sich die Unruh pro Stunde hin- und herbewegt. Weil jede Vor- und Zurückbewegung der Unruh mit jeweils einem Tick des Sekundenzeigers einhergeht, steht damit automatisch die Anzahl der Schläge pro Sekunde fest. Ein Beispiel: Ist die Rede von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde, so vollzieht der Sekundenzeiger 28.800 Ticks pro Stunde – was exakt 8 Schlägen (=28.800/3.600) pro Sekunde entspricht. Je höher die Schlagzahl, desto flüssiger scheint die Bewegung des Zeigers.
Die Frequenz-Angabe in Hertz (Hz) ist lediglich eine andere Darstellungsform und lässt sich direkt aus den Halbschwingungen des Uhrwerks ableiten. Aber Achtung: Weil Hertz-Zahlen immer die Menge der ganzen Schwingungen pro Sekunde wiedergeben, sind sie per Definition exakt halb so groß wie die Menge der Halbschwingungen. 8 Schläge pro Sekunde entsprechen also 4 Hz. Weitere gängige Angaben sind 2,5 Hz, 3 Hz und 5 Hz, was 18.000, 21.600 und 36.000 Halbschwingungen pro Stunde entspricht. Intuitiv würde man vermuten, dass die Präzision des Kalibers mit seiner Schlagzahl steigt – schließlich ticken Quarzuhren mit unglaublichen Frequenzen von über 30.000 Hz und sind bekanntermaßen deutlich genauer als mechanische Zeitanzeiger.
Steigt die Präzision mit der Schlagzahl wirklich?
Schauen wir auf prominente Beispiele für hochfrequente Uhren wie etwa Zeniths El Primero– oder Seikos Hi-Beat-Modelle mit 5 Hz, scheint sich die Intuition zu bestätigen: Was schneller schlägt, ist auch präziser. Der wahre Zusammenhang ist jedoch komplexer und dreht sich um die Konstanz der Schlagzahl, also die Frage, wie gleichmäßig das Uhrwerk seine Schläge vollzieht. Selbst die schnellste Unruh ist nutzlos, wenn ihre Hertz-Zahl über die Zeit hinweg nicht konstant eingehalten werden kann. Stationäre Pendeluhren hingegen, wie sie früher in wissenschaftlichen Laboren eingesetzt wurden, verfügten über außerordentlich niedrige Frequenzen von 0,5 Hz und waren präziser als jede moderne Armbanduhr. Am Handgelenk jedoch ist die Unruh ständig Bewegungen ausgesetzt, was den Zeitanzeiger bei jedem Stoß ein wenig aus dem Takt bringt.
Erst diese Logik erklärt, warum hochfrequente Uhren in der Regel genauer sind: Sie können all die kleinen Bewegungen und Stöße des Alltags schneller kompensieren als niederfrequente Uhren, geraten also für einen geringeren Zeitraum aus dem Takt und legen damit in der Summe eine kleinere Gangabweichung an den Tag. So weit, so gut. Aber wenn hochfrequente Uhren scheinbar überlegen sind, warum gibt es dann überhaupt noch Kaliber mit bewusst niedrigerer Schlagzahl?
Mehr Gangreserve, weniger Wartung: Niederfrequente Uhren im Vorteil
Weil Präzision längst nicht das einzige Kriterium eines guten Uhrwerks ist. Sehr wichtig ist zum Beispiel die Gangreserve: Niemand möchte einen Zeitanzeiger, dem nach einer Nacht oder wenigen Stunden die Kraft ausgeht. Würde man die Schlagzahl immer weiter erhöhen, wäre aber genau das die Konsequenz. Viele Schläge verbrauchen viel Energie, weshalb hochfrequente Uhren entweder mit speziellen Maßnahmen wie etwa größeren Federhäusern aufgerüstet werden müssen oder schlichtweg eine geringere Ausdauer in Kauf genommen wird.
Hinzu kommt ein schnellerer Verschleiß und höherer Wartungsaufwand bei schnell schwingenden Kalibern. Während die häufigen Interaktionen zwischen Anker und Hemmungsrad für eine beschleunigte Abnutzung der Komponenten sorgen, kommen Schmieröle häufig nicht mit der hohen Geschwindigkeit zurecht und werden buchstäblich weggeschleudert. Spezielle Schmiermittel, aber auch gesonderte Materialien beim Uhrwerk sind zur Behebung dieser Probleme erforderlich. Gleichzeitig verfügen hochfrequente Unruhen im Unterschied zu niederfrequenten Varianten über einen kleineren Durchmesser, was die manuelle Regulierung seitens des Uhrmachers erschwert.
Wie können Chronographen Hundertstelsekunden messen?
Daran wird deutlich, dass die höhere Präzision hochfrequenter Kaliber keineswegs geschenkt ist, sondern mühsam erkauft werden muss. Eine noch höhere Bedeutung als bei klassischen Zeitanzeigern hat die Frequenz bei Chronographen, weil die Schlagzahl hier als natürliche Begrenzung des Zeitstoppers fungiert. Ohne Expertenwissen wird deutlich, dass eine Uhr mit 28.800 Halbschwingungen pro Stunde (4 Hz) maximal auf Achtelsekunden genau messen kann, weil ihr Sekundenzeiger 8 Ticks pro Sekunde vollzieht. Ein Zenith El Primero Chronograph mit 36.000 Halbschwingungen pro Stunde (5 Hz) kann Intervalle folglich auf Zehntelsekunden genau anhalten. Aber wie ist es möglich, dass Modelle wie die Zenith Defy 21 bis auf Hundertstelsekunden genau messen können?
Die Antwort liegt auf der Hand: Mit einer Schlagzahl von 50 Hz. Um rasante Frequenzen wie diese ohne einen erheblichen Verlust an Gangreserve realisieren zu können, greift die Schweizer Marke – wie auch TAG Heuer – zu einer intelligenten Konstruktion mit zwei separaten Uhrwerken. Dabei ist ein gewöhnliches 5-Hz-Kaliber für die Zeitanzeige verantwortlich, während das Zeitstoppen von einem 50-Hz-Kaliber übernommen wird. Zwar läuft dieses Werk bei vollem Aufzug nur knapp eine Stunde, doch seine Leistung von hundert (!) Schlägen pro Sekunde ist beeindruckend. Und sie demonstriert einen weiteren, nur schwer messbaren Vorzug hochfrequenter Kaliber: Ihre Faszination. “Höher, schneller, weiter” – was die Olympischen Spiele antreibt, repräsentieren Schnellschwinger in der Uhrenwelt. Da können niederfrequente Uhren nur schwer mithalten.