Im Zusammenhang mit mechanischen Uhren ist häufig von Juwelen, Steinen oder Rubinen die Rede, die als sogenannte Lagersteine in jedem Uhrwerk – egal ob Rolex, Omega oder Chopard dienen. Angaben über die Zahl der Uhr-Steine finden sich bei vielen Uhren auf dem Zifferblatt, auf dem Gehäuseboden oder – falls dieser transparent ist – auf dem Uhrwerk selbst. Dieser Beitrag geht der Frage nach, was die Anzahl der Lagersteine über eine Armbanduhr, über die Qualität, aussagt.
Edle Steine sorgen für reibungslosen Betrieb
Selbst wenn der Einfachheit halber oft nur kurz von Steinen gesprochen wird, handelt es sich bei den in Uhren verbauten Steinen grundsätzlich um Edelsteine. Sie werden in der Uhrmacherei verwendet, um daraus Lager zu fertigen. Daher werden sie auch als Lagersteine bezeichnet. Auf Uhren finden sich in den entsprechenden Angaben zudem oft die französischen Begriffe Pierres oder Rubis beziehungsweise die englische Bezeichnung Jewels. Das französische Wort Rubis steht für Rubine und deutet damit zugleich darauf hin, dass der am häufigsten eingesetzte Lagerstein Rubin ist.
Je nach ihrer Form und ihrer Funktion werden die Lagersteine in einer Armbanduhr auch Decksteine, Lochsteine, Palettensteine, Wälzlagersteine oder Ellipse genannt.
Dass die Lager in Uhren nicht aus Metall hergestellt, sondern stattdessen Lagersteine aus Rubin oder anderen Edelsteinen verwendet werden, hat einen speziellen Grund, denn dadurch lassen sich die Reibung und der Verschleiß deutlich verringern. Dies kommt der Präzision, mit der das Uhrwerk arbeitet, ebenso zugute wie dessen Langlebigkeit.
Von natürlichen Edelsteinen zum synthetischen Lagerstein-Rubin
Edelsteine wurden schon in Kulturen der Vorantike wegen ihrer faszinierenden Farben und ihrer Strahlkraft geschätzt und bis heute gerne für die unterschiedlichsten Schmuckstücke und Juwelierarbeiten verwendet.
Physikalisch betrachtet, ist ihr gemeinsames Hauptmerkmal jedoch nicht der Glanz oder die Farbe, sondern ihre außergewöhnliche Härte.
Als härtester Edelstein gilt der Diamant, dicht gefolgt von den Korunden.
Die Lagersteine in Uhren werden häufig aus Korunden hergestellt, wobei man sich früher natürlicher Steine bediente, während heute dagegen überwiegend synthetische Korunde zum Einsatz kommen. Der Begriff Korund stammt aus dem Tamilischen und bezeichnet ein Mineral aus der Klasse der Oxide und Hydroxide, das in der Natur relativ häufig vorkommt. Es existieren verschiedene Varietäten, die sich durch ihre Farbgebung unterscheiden. Dazu zählen die farblosen Leukosaphire, die kräftig roten Rubine, die ihre Farbe ihrem Chromgehalt verdanken und die Saphire, die in allen Farben außer Rot vorkommen – wenngleich blaue Saphire am bekanntesten sind und besonders gerne als Schmuckstein genutzt werden.
Obwohl auch andere Korunde infrage kommen und in der Praxis durchaus verwendet werden, heißt der bekannteste und häufigste Lagerstein Rubin.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist man in der Lage, Korunde synthetisch herzustellen. Dazu stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, von denen jedoch das sogenannte Elektroschmelzverfahren mit Abstand die größte wirtschaftliche Bedeutung hat. Es geht auf Ernst Moyat, einen deutschen Chemiker, zurück. Ihm war es 1894 zum ersten Mal gelungen, sogenannten Elektrokorund herzustellen, und kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges erhielt er für sein Verfahren ein Patent. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelte die Industrie Edelkorunde, von denen heute überwiegend der weiße Edelkorund produziert wird.
Gründe für die zunehmende Verwendung synthetischer Korunde in der Uhrmacherei waren die stark steigende Nachfrage nach hochwertigen Uhren und die Tatsache, dass synthetische Korunde die Materialanforderungen, insbesondere im Hinblick auf Festigkeit und Verarbeitungsmöglichkeiten, ebenso gut erfüllten wir ihre natürlichen Vorbilder.
Wie werden die Lagersteine in einer Armbanduhr eingesetzt?
Die in Uhren verwendeten Lagersteine werden entweder in eine Werkplatte eingepresst oder in einer aus Gold gefertigten Fassung – auch als Chaton bezeichnet – festgeschraubt und anschließend justiert. Sie werden teilweise wegen ihrer Lochung auch Lochsteine genannt und bilden gemeinsam mit den metallenen Zapfen der Räder eines Uhrwerks Gleitlager. Befindet sich in einem Lochstein ohne Deckung eine halbkugelförmige Vertiefung, so wird diese als Ölsenkung bezeichnet und dient zur Aufnahme des als Schmierstoff verwendeten Uhrenöls.
Entwickelt wurden die Steine für Uhrwerke bereits im Jahr 1704 von Nicolas Fatio de Duillier, einem Schweizer Mathematiker. Darüber hinaus gibt es auch Steine in Wälzlagern, so zum Beispiel in den Kugellagern der Rotoren von Automatikuhren. Diese sind jedoch rollen- oder kugelförmig und weisen keine Lochung auf. Für diese Steine wird der Begriff Lagersteine nicht verwendet. Ein weiteres Einsatzgebiet für Uhr-Steine ist die Hemmung, wo sie als Ankerpalettensteine oder als Hebelstein dienen. Diese Lösung wurde von Thomas Mudge entwickelt, dem die um 1757 erfolgte Erfindung der Ankerhemmung zu verdanken ist.
Wie viele Lagersteine braucht eine Armbanduhr?
Hochwertige mechanische Armbanduhren mit Handaufzug benötigen wenigstens fünfzehn Steine, davon zehn Lochsteine, zwei Decksteine für die Unruh, einen Hebelstein (Ellipse) sowie zwei Palettensteine für den Anker.
Grundsätzlich gilt, dass die Zahl der benötigten Lagersteine umso größer ist, je komplexer das Uhrwerk konzipiert ist.
Die Anzahl von Steinen ist allerdings kein Indikator für die Qualität des Uhrwerks, sondern deutet allenfalls auf das Vorhandensein von Komplikationen hin. Gleichwohl geben viele Hersteller von Luxusuhren an, dass in ihren Uhren 30 bis 70 Steine verbaut worden sind. Hier spielen allerdings vor allem Reputationsgründe eine Rolle, was auch die Tatsache erklärt, dass die Zahl der Lagersteine oft auf Zifferblättern und Gehäuseböden der Uhren genannt wird.