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Die beiden Luxusuhrenmarken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin scheinen auf den ersten Blick recht unterschiedlich, tatsächlich haben sie jedoch einige Gemeinsamkeiten. So zählen beide zu den ältesten und traditionsreichsten Namen der Schweizer Uhrenindustrie und gehören heute zur selben Luxusgüter-Gruppe, dem französischen Kering-Konzern. Dieser war aus einem 1963 von François Pinault gegründeten Holz- und Baustoffunternehmen hervorgegangen, das zwischenzeitlich immer stärker zum Luxusgüter-Konzern umgebaut wurde und zeitweise unter den Namen Pinault-Printemps-Redoute beziehungsweise PPR firmierte, bevor 2013 die Umbenennung in Kering erfolgte. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die beiden traditionsreichen Uhrenmarken im Kering-Konzern und deren Historie bis in die Gegenwart.
Girard-Perregaux: ein klangvoller Name mit langer Tradition
Die Wurzeln der heutigen Firma Girard-Perregaux reichen bis in das Jahr 1791 zurück. Deshalb wird sie zu den wenigen, bereits seit dem 18. Jahrhundert existierenden Uhrenmanufakturen der Schweiz gezählt und verweist auf eine mehr als 225-jährige Firmengeschichte. Ganz exakt ist dies allerdings nicht, denn die frühesten Jahre der Firmengeschichte hat sich das Unternehmen erst im Zuge einer größeren Akquisition 1906 “dazugekauft”. Das eigentliche Unternehmen Girard-Perregaux entstand erst im Jahr 1856. Zwei Jahre zuvor hatte der junge Constant Othenin-Girard, der 1850 seine eigene Uhrenwerkstatt eröffnete, Marie Perregaux geheiratet. Deren Bruder Henri Perregaux war als Chronometermacher tätig.
In den folgenden Jahren konzentrierte sich die Firma konsequent auf die Fertigung von besonders präzisen Chronometern und erlangte damit am Markt schnell einen guten Ruf. Dieser wurde nicht zuletzt dadurch gefestigt, dass Produkte des Unternehmens in den Jahren zwischen 1866 und 1876 bei den vom Neuchâteler Observatorium veranstalteten Chronometer-Wettbewerben mehrfach ausgezeichnet wurden.
Zu den besonderen technischen Leistungen aus dieser Zeit zählen die mit einem Drei-Brücken-Werk sowie einem Tourbillon ausgestatteten Taschenchronometer, die ihrem Hersteller bei der Weltausstellung in Paris sowohl 1867 als auch 1889 jeweils eine Goldmedaille einbrachten. Ein wichtiger Schritt im Zuge der weiteren Expansion folgte 1906 mit dem Kauf der Uhrenmanufaktur Bautte und Moynier. Da diese bereits 1791 durch Jean Francois Bautte gegründet wurde, gab man dieses Jahr seither in der Unternehmenschronik als Gründungsjahr an.
Turbulente Entwicklungen bis zur Kering-Group
Im Zuge einer wirtschaftlichen Krise geriet das namhafte Unternehmen 1928 in die Insolvenz, doch bereits ein Jahr später fand sich ein neuer Mehrheitseigner. Dabei handelte es sich um Otto Graef, der als Eigentümer der Manufacture Internationale de Montres d’Or (MIMO) bereits umfassende Erfahrungen in der Uhrenbranche gewonnen hatte und unter anderem als Hersteller der ersten Armbanduhr mit einem Rechenschieber in Erscheinung getreten war. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war der Gang an die Börse, den die Gesellschaft 1969 vollzog. Der Unternehmenssitz befindet sich bis heute in La Chaux-de-Fonds, einer der bekanntesten Schweizer “Uhren-Städte” im Kanton Neuenburg, wo auch Corum, Ebel, Tag Heuer und Vulcain ansässig sind.
Im Hinblick auf technische Innovationen in dieser Zeit ist vor allem eine Automatik-Armbanduhr zu nennen, die 1957 vorgestellt wurde und mit einem Gyromatic-Werk ausgestattet war. Des Weiteren begann Girard Perregaux im Jahr 1966 mit der Fertigung seines ersten mechanischen Hochfrequenz-Kalibers. Die Unruh des als Chronometer HF bezeichneten Uhrwerkes arbeitete mit einer Frequenz von 36.000 Halbschwingungen pro Stunde. Diese technische Meisterleistung wurde 1966 durch das Observatorium in Neuchâtel mit dem Jahrhundertpreis für Chronometrie honoriert.
1970 übernahm Girard-Perregaux eine Vorreiterrolle im Quarzuhren-Segment, indem das Unternehmen die erste industriell hergestellte Quarzuhr der Schweiz präsentierte. Der bei dieser Gelegenheit durch die Manufaktur gesetzte Standard, der für Quarzwerke eine Frequenz von 32,768 Hz vorsieht, hat bis heute für die gesamte Uhrenindustrie Gültigkeit. 1978 wurde das kleinste Quarz-Uhrwerk der Welt vorgestellt. Ein Jahr später erfolgte der Verkauf der Firma an das Handelsunternehmen Desco von Schulthess, nachdem die Erben von Otto Graef ohne Nachkommen geblieben waren. 1988 erwarb der geschäftsführende Direktor Francis Besson gemeinsam mit einigen Banken die Gesellschaft und strukturierte deren Produktpalette neu. Waren für beinahe zwanzig Jahre nur Quarzuhren hergestellt worden, so begann man 1989 wieder mit der Produktion von mechanischen Uhren.
Das 200. Gründungsjubiläum der Firma im Jahr 1991 wurde mit der Eröffnung eines eigenen Museums gefeiert.
Ein Jahr darauf erwarb Luigi Macaluso, Eigentümer der Sowind-Gruppe und ehemaliger Rennfahrer, die Firma Girard-Perregaux. An der Sowind-Group wiederum beteiligte sich der Kering-Konzern im Juni 2008 zunächst mit 23 Prozent und stockte diese Beteiligung dann 2011 auf eine Mehrheit von 50,1 Prozent auf. Heute produziert Girard-Perregaux unter Kering die Kollektionen Vintage, Classique, Laureato, GP 7000, Richeville, Vintage 1945, Hawk/Sea Hawk sowie WW.TC Worldtimer. Darüber hinaus werden jedoch auch andere Uhrenhersteller mit Kalibern beliefert, so unter anderem Audemars Piguet, Gucci und die eigene Tochter JeanRichard.
Ulysse Nardin: “zweites Leben” für eine traditionsreiche Marke im Kering-Konzern
Ulysse Nardin wurde 2014 ebenfalls vom Kering-Konzern erworben und ist heute insofern eine Schwestermarke von Girard-Perregaux. Berücksichtigt man, dass „G-P“ die eigene Firmengeschichte erst durch den Kauf von Bautte und Moynier um fast sechzig Jahre “verlängert” hat, so ist Ulysse Nardin eigentlich die ältere der beiden Marken. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Le Locle, einem weiteren bekannten Neuenburger Standort der Uhrenindustrie, und trägt bis heute den Namen seines Gründers. Ulysse Nardin hatte 1846 seine eigene Uhrenfabrik gegründet, war allerdings schon 1876 verstorben, sodass sein damals noch nicht 20-jähriger Sohn Paul David die Firma früh übernehmen musste.
Auch im Hause Nardin spezialisierte man sich zunächst auf Marinechronometer, die mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht wurden. So fungierte Ulysse Nardin beispielsweise von 1906 bis 1942 für das United States Naval Observatory als Lieferant von Decks- und Taschenuhren. Ein großer Anteil der Produktion entfiel um 1900 auf Taschenuhren mit anspruchsvollen Komplikationen wie Mondphase, ewigem Kalender oder Weckvorrichtung.
Erfolgreiche Repositionierung und Integration in den Kering-Konzern
Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden, dem Trend der Zeit folgend, fast nur noch Armbanduhren produziert, darunter ein anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1936 lancierter Chronograph im Edelstahl-Gehäuse. Trotz seines guten Namens geriet das Unternehmen jedoch 1982 und 1983 beinahe in die Insolvenz, denn die Auswirkungen der Quarzkrise waren auch an Ulysse Nardin nicht spurlos vorübergegangen. In dieser schwierigen Situation fand sich mit Rolf W. Schnyder ein Investor, dem es mit entsprechendem Kapitaleinsatz und hohem eigenem Engagement gelang, die traditionsreiche Marke erfolgreich wiederzubeleben.
Der Schweizer war kein Neuling in der Uhrenbranche, sondern hatte bereits in Malaysia Fabriken für die Produktion von Teilen für Quarzuhren aufgebaut. Gemeinsam mit seinem Freund und Geschäftspartner, dem Uhrenkonstrukteur Ludwig Oechslin, glückte ihm innerhalb weniger Jahre die Rückkehr der Marke Ulysse Nardin in das Spitzensegment der Schweizer Uhrenhersteller. Als Schnyder am 14. April 2011 nach kurzer Krankheit unerwartet verstarb, hinterließ er seinen Nachfolgern ein solides, florierendes Unternehmen, das der Kering-Konzern im Jahr 2014 in sein Portfolio von Luxusmarken integrierte. Neben „G-P” und Ulysse Nardin gehören zu Kering weitere Uhrenmarken. Unter anderem zählen hierzu Gucci-Uhren sowie die Uhrenmarke JeanRichard.
Außerhalb des Uhrensegments gehören dem Kering-Konzern vor allem verschiedene Mode- und Livestyle-Marken, so beispielsweise Puma, Cobra Golf, Yves Saint Laurent, Boucheron, Sergio Rossi, Balenciaga und Brioni – um nur einige besonders prominente Beispiele zu nennen.