« Ein Bauhaus-Ästhetiker für Junghans »
Viele Architekten haben sich neben ihrem Hauptberuf auch als Designer oder bildende Künstler betätigt. Doch nur wenigen war es vergönnt, in allen diesen Disziplinen gleichzeitig zu reüssieren. Eine dieser Ausnahmeerscheinungen war der Schweizer Max Bill. In Deutschland ist die Bauhaus Ikone insbesondere auch als Bildhauer sowie als Mitbegründer und erster Rektor der Hochschule für Gestaltung Ulm bekannt geworden. Uhrenliebhaber dagegen kennen ihn vor allem als Schöpfer einer Uhrenlinie, die bis heute produziert wird und ein bedeutendes Stück Uhrengeschichte geschrieben hat. Immer prägend: die typische Max Bill Architektur, seine Linie, sein Purismus, seine Funktionalität.
Vom Silberschmiedelehrling zum Bauhausschüler
Als Max Bill seine berufliche Laufbahn begann, war von der herausragenden Rolle, die er einmal in der internationalen Designgeschichte mit seiner Architektur spielen sollte, noch nichts zu ahnen. Sein Talent zeigte sich jedoch schon früh. Am 22. Dezember 1908 in Winterthur geboren, wechselte er nach dem Schulbesuch zunächst an die Kunstgewerbeschule Zürich.
Dort absolvierte Bill eine Lehre als Silberschmied und erhielt bereits mit 17 Jahren eine Einladung, seine Schülerarbeiten in Paris auf der „Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes“ zu präsentieren. Beim Besuch dieser Ausstellung im Jahr 1925 setzte er sich mit den Werken zahlreicher zeitgenössischer Architekten und Designer auseinander. Besonders beeindruckten ihn die Arbeiten seines Landsmannes Le Corbusier sowie von Josef Hoffmann und Konstantin S. Melnikow. Die Impulse der Pariser Ausstellung und eine zunehmend intensivere Beschäftigung mit den aktuellen Entwicklungen in Architektur, Design und Kunst dürften wesentlich zu Bills Entscheidung beigetragen haben, seine Ausbildung in den Jahren 1927 bis 1928 durch ein Studium am Bauhaus in Dessau zu vervollständigen.
Architekt, Stardesigner und Hochschulgründer
Nach seinem Studium nahm Bill ab 1929 seine berufliche Tätigkeit als Architekt auf. Dabei wurde seine praktische Arbeit stets von theoretischen Auseinandersetzungen mit aktuellen Fragen der Architektur begleitet, die in zahlreichen Publikationen und Vorträgen Niederschlag fanden. 1932 begann er zudem auch mit bildhauerischen, grafischen und malerischen Arbeiten. Sein Engagement und seine wachsende Anerkennung äußerten sich bald in zahlreichen Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen. Zudem wurde er Mitglied mehrerer Künstler- und Architektenvereinigungen, beispielsweise des renommierten „Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM)“. Einer der Höhepunkte des Schaffens war Bills Engagement als Mitbegründer der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HFG) in den Jahren 1951 bis 1953. In diesem Zusammenhang entwarf er auch das Gebäude, in dem die neue Designhochschule ihren Platz finden sollte. Nachdem er die HFG von 1953 bis 1956 als erster Rektor geleitet hatte, ging er 1957 wieder zurück nach Zürich. Von 1967 bis 1974 hatte er den Lehrstuhl für Umweltgestaltung an der Hochschule für bildende Künste Hamburg inne. Mitgliedschaften in renommierten Akademien sowie zahlreiche Publikationen, Vorträge und Kongressbeiträge rundeten seine akademische Karriere wissenschaftlicher Architektur und Gestaltung ab.
Max Bill und Junghans – eine Partnerschaft, die Uhrengeschichte schrieb
Für Liebhaber edler Uhren ist Max Bill vor allem deshalb von Bedeutung, weil ihn in den 1950er und 1960er Jahren eine enge Kooperation mit Junghans, einem der renommiertesten deutschen Uhrenhersteller, verband. Diese begann Mitte der 1950er Jahre, als er zusammen mit Ernst Moeckl, seinem Schüler, sowie anderen Designern Entwürfe für Uhren von Junghans lieferte. Deren gemeinsame Merkmale waren präzise ausgewogenen Proportionen und eine bemerkenswerte konstruktive Klarheit, die sich den Prinzipien der Moderne in Architektur und Design verpflichtet fühlte, wie sie seinerzeit im Bauhaus entwickelt und wesentlich geprägt worden waren. Besondere Bekanntheit erlangte die von Bill und Moeckl entworfene Junghans-Küchenuhr, die zusätzlich mit einem Kurzzeitwecker ausgestattet war und bis heute als eine der designgeschichtlichen Ikonen des 20. Jahrhunderts gilt. Daneben fertigten er und seine Mitarbeiter für Junghans zahlreiche Entwürfe für Wand-, Tisch- und Armbanduhren an und schufen so eine faszinierende Modellreihe von Uhren Max Bill by Junghans nach wie vor auf Basis von Originalentwürfen produziert werden. Und bis heute gibt es zahlreiche Uhrenliebhaber, die eine Uhr im Bauhaus-Stil an ihrem Handgelenk zu schätzen wissen. Auch die Max Bill Architektur erlebt gefühlt ständige Renaissancen, auch wenn diese dank neuer Möglichkeiten und Materialien eher gedanklicher Natur sind.
Bauhaus-Design im besten Sinne
Der Grund für die ungebrochene Beliebtheit, der sich die Bauhaus-Architektur uns sein Design nun schon seit über 100 Jahren erfreut, liegt in seiner Klarheit und Funktionalität. Während Gründerzeit und Jugendstil sich durch aufwendige dekorative Verzierungen auszeichnete, galt am Bauhaus die Regel, dass die Form der Funktion folgen müsse. Verzierungen aller Art hatten aus Sicht der Bauhaus-Künstler an Gebäuden und Gebrauchsgegenständen keine Berechtigung, es sei denn, sie ergaben sich aus der Funktion oder unterstrichen diese. Schnörkeligen Zierrat sucht man an Architektur, Möbeln oder Geschirr der Bauhaus-Ära deshalb vergeblich.
Der Einsatz von Farbe hingegen war und ist nach den Bauhaus-Prinzipien durchaus erlaubt. Daran orientierte sich Max Bill auch bei seinen zahlreichen Entwürfen für Uhren von Junghans. So zählen zu den charakteristischen Merkmalen der von Max Bill entworfenen Armbanduhren die kreisrunde Form des Zifferblatts, die vollständige Minuterie mit Strichindizes sowie die schlanke, elegante Form der drei Zeiger. Stunden- und Minutenzeiger sind mit Leuchtmasse versehen, um das Ablesen der Uhrzeit bei Nacht zu erleichtern. Zwei Leuchtpunkte markieren zudem die Zwölf, jeweils einer von ihnen die Drei, die Sechs und die Neun. Alle Elemente auf dem Zifferblatt wirken ausgesprochen schlank, zurückhaltend und auf das Wesentliche reduziert. Genau das macht die besondere Eleganz dieser Uhr aus, in der die Bauhaustradition im besten Sinne weiterlebt. Die Form jedes Teils und jedes gestalterischen Details folgt hier konsequent der Funktion, die es zu erfüllen hat. Dies gilt für die Damen- ebenso wie für die Herrenuhren, und auch für alle verfügbaren Antriebsarten.
Die Kollektion Max Bill by Junghans umfasst sowohl Quarzuhren als auch mechanische Modelle, Letztere wahlweise mit Handaufzug oder Automatik. Die Modellpalette reicht von der schlichten Dreizeigeruhr bis zum Chronographen “Chronoscope”. Teilweise sind die Zifferblätter mit arabischen Ziffern versehen, teilweise lediglich mit Strichindizes. Modelle mit Anzeige des Datums und teils auch des Wochentages sind ebenfalls erhältlich. So bietet die Kollektion bei aller Zurückhaltung im Design doch reichlich Möglichkeiten, die individuellen Vorlieben der Käufer zu bedienen. Und vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis ihres Erfolges, der nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert andauert.
Lebendige Tradition: Die Max Bill Architektur
Dass man Max Bill Architektur bis heute schätzt und bewundert, zeigt sich in zahlreichen Gebäuden, die liebevoll gepflegt werden. Auch wenn der Künstler selbst, eigentlich nur bis zu den 1970er Jahren einen Schwerpunkt auf Architektur legte, bewundert man die Klarheit des Schweizers bis heute. Das Wohn- und Ateliergebäude Max Bill in Zürich aus den 1930er Jahren beherbergt kulturelle Führungen und wurde fast gänzlich im ursprünglichen Zustand erhalten. Lediglich die Energieversogrung durch Erdwärme und Solarstrom wurden in den letzten Jahren gesichert. Das wäre sicher ganz im Sinne der Max Bill Architektur gewesen. Auch die Hochschule für Gestaltung Ulm steht bis heute. Das damals knapp budgetierte Projekt steht seit 1979 als Kulturdenkmal unter besonderem Schutz. Ein weiteres Denkmal der Max Bill Architektur steht im Kanton Graubünden. Die eindrucksvolle Lavoitobelbrücke bei Tamins mit ihrem imposanten Bogen entstand 1966/67 in Zusammenarbeit mit Mirko Robin Roš. Sie wurde 2015 instand gesetzt und beweist bis heute die “Schönheit der Reduktion” ganz in der Tradition ihres Zeichners.