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Am 28. August 2017 begann für den Schweizer Luxusuhrenhersteller Ulysse Nardin eine neue Ära. An diesem Tag übernahm Patrick Pruniaux als neuer CEO die Führung der Marke. Der neue Mann an der Spitze verfügt über umfangreiche Erfahrungen im gehobenen Konsumgüter- und Luxussegment und war bereits für namhafte Markenunternehmen tätig. Wir werfen einen Blick auf die Personalie und einige Hintergründe.
Weichenstellung im Kering-Konzern
Die Berufung von Patrick Pruniaux an die Spitze des traditionsreichen Unternehmens ist die erste größere personelle Weichenstellung seit dem Erwerb von Ulysse Nardin durch den französischen Luxusgüterkonzern Kering im Jahr 2014. Seit 2011 war das Unternehmen von Patrik P. Hoffmann geführt worden, der sich künftig mit anderen Aufgaben beschäftigen möchte. Hoffmann war nach dem plötzlichen Tod von Rolf W. Schnyder an die Spitze der Firma gerückt und hatte zuvor bereits seit 2008 als Vizepräsident das Ressort Verkauf und Marketing verantwortet.
Zu den wichtigsten strategischen Aufgaben seines Nachfolgers in der Unternehmensführung soll vor allem das weitere Vorantreiben der internationalen Expansion von Ulysse Nardin gehören. Reichlich Branchenkenntnis und Knowhow für diese Aufgabe dürfte er mitbringen, denn mit Apple und Tag Heuer verzeichnet sein beruflicher Lebenslauf bereits zwei wichtige Stationen in international renommierten Markenunternehmen.
Vom Weinhandel in die Luxusuhrenbranche
Im Silicon Valley war Patrick Pruniaux insgesamt rund drei Jahre tätig. Unter anderem war er dort in die Markteinführung der Apple Watch involviert, die zwar keine Luxusuhr im klassischen Sinne ist, deren Entwicklung und Marktakzeptanz jedoch von zahlreichen Luxusuhrenherstellern mit großer Aufmerksamkeit beobachtet wird. Mit Luxusgütern hat sich Pruniaux schon früh befasst, denn seine berufliche Karriere startete er im gehobenen Wein- und Spirituosengeschäft. Nachdem Pruniaux sein Studium mit Schwerpunkt Marketing an der KEDGE Business School in Bordeaux abgeschlossen und ein Jahr Militärdienst geleistet hatte, war er 1997 als Market Development Manager bei Diageo, dem weltweit größten Spirituosenhersteller, eingestiegen. Im Jahr 2000 wechselte er als Regional Director zu Moët Hennessy.
Die nächste Karrierestation folgte 2005, als Pruniaux innerhalb des LVMH-Konzerns zu dem Schweizer Luxusuhrenhersteller TAG Heuer wechselte.
Dort übernahm er zunächst die Verantwortung für das internationale Exportgeschäft und stieg 2009 zum Vizepräsident für den Verkauf in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika auf. In den Jahren von 2010 bis zu seinem 2014 erfolgten Wechsel zu Apple zeichnete Pruniaux als Vizepräsident für das Ressort Global Sales & Retail verantwortlich.
Rückkehr zur Mechanik
Als neuer CEO von Ulysse Nardin ist Patrick Pruniaux nun wieder zurück in der analogen Welt und befasst sich mit der Vermarktung mechanischer Luxusuhren. Die Erfahrungen aus seinen vorherigen Tätigkeitsfeldern dürften jedoch auch weiterhin wertvoll für ihn sein. Schließlich hat die Lancierung der Luxus-Smartwatch Connected von Tag Heuer gezeigt, dass die Marktsegmente für Luxusuhren und Smartwatches durchaus einige Berührungspunkte haben. Branchenkenner rechnen damit, dass es ähnliche Initiativen wie die von Tag Heuer auch bei anderen Uhrenherstellern geben wird.
In seiner neuen Funktion berichtet Patrick Pruniaux unmittelbar an den Chef der Uhrensparte von Kering, Albert Bensoussan. Der französische Luxusgüterkonzern, der von 1994 bis Mitte 2013 unter Pinault-Printemps-Redoute beziehungsweise PPR firmiert hatte, besitzt neben Ulysse Nardin auch noch die Luxusuhrenmarke Girard-Perregaux. Weitere namhafte Luxusgütermarken der Kering-Gruppe sind Alexander McQueen, Balenciaga, Bottega Veneta, Boucheron, Brioni, Christopher Kane, Dodo, Gucci, McQ, Pomellato, Qeelin, Saint Laurent, Stella McCartney und Tomas Maier. Dazu kommen im Sport- und Lifestylesegment noch Cobra, Puma und Volcom.
Traditionsreicher Name und bewegte Geschichte
Mit der Übernahme der Verantwortung für Ulysse Nardin setzt Patrick Pruniaux eine Unternehmenstradition fort, die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Der 1792 geborene Léonard Frédéric Nardin war der Erste in seiner Familie, der den Beruf des Uhrmachers ausgeübt hatte. Dessen Sohn Ulysse, Jahrgang 1823, gründete 1846 in Le Locle eine Uhrenfabrik, verstarb jedoch bereits 1876.
Nach seinem plötzlichen Tod übernahm der damals noch nicht 20-jährige Paul David das Unternehmen seines Vaters, das sich in der Folge auf die Fabrikation von Schiffschronometern spezialisierte. Diese wurden wegen ihrer Qualität geschätzt und mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. So belieferte die Firma Ulysse Nardin beispielsweise seit 1906 das United States Naval Observatory mit Decks- und Taschenuhren. Die Kundenbeziehung endete 1942, als die sie umgebenden okkupierten Staaten die Schweiz isolierten.
Bereits ab 1940 hatte das US-amerikanische Unternehmen Hamilton Nardins Uhren kopiert und weiterentwickelt. Darüber hinaus produzierte Ulysse Nardin Taschenuhren mit verschiedenen Komplikationen wie Kalender, Weckvorrichtung, Schlagwerk, Mondphase oder ewigem Kalender. Einige dieser Uhren sind heute noch im Uhrenmuseum in Le Locle zu sehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Belegschaft bereits auf rund 300 Personen angewachsen. Ein Meilenstein der Unternehmensgeschichte war eine Herrenarmbanduhr aus Edelstahl mit Chronographenfunktion, die anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Berlin im Jahr 1936 lanciert wurde. In den 1970er Jahren bekam die Traditionsmarke allerdings auf dramatische Weise die Folgen der sogenannten Quarzkrise zu spüren und geriet 1982 und 1983 sogar beinahe in die Insolvenz.
Gerettet wurde die traditionsreiche Marke durch Rolf W. Schnyder, der bisher in Malaysia Fabriken für die Herstellung von Teilen für Quarzuhren leitete, gemeinsam mit einigen anderen Investoren. Sie übernahmen die desolate Firma, die damals nur noch zwei Personen beschäftigte und aus deren wertvoller Firmensammlung bereits zahlreiche historisch bedeutsame Uhren verschwunden oder gestohlen worden waren. Schnyder und seinen Mitstreitern gelang es innerhalb weniger Jahre, die Marke in das Top-Segment der Schweizer Uhrenindustrie zurückzuführen.
Dem Uhrenkonstrukteur Ludwig Oechslin, ein Freund Schnyders, kommt daran ebenfalls ein wesentlicher Anteil zu. Als Schnyder am 14. April 2011 nach kurzer Krankheit unerwartet verstarb, hinterließ er ein Unternehmen, das eine solide Marktstellung als Luxusuhrenhersteller innehatte – und nach wie vor erfolgreich verteidigt. Patrick Pruniaux tritt also ein großes Erbe an, für dessen Verwaltung und Mehrung er jedoch beste Voraussetzungen mitbringt.