« Wir klären die Begrifflichkeiten »
Begriffe wie Rattrapante, Schleppzeiger oder Flyback mögen bei vielen Menschen nur fragende Blicke auslösen, bringen aber die Augen zahlreicher Uhrenliebhaber zum Leuchten. Denn schließlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um Komplikationen, die nur bei einigen besonders hochwertigen mechanischen Uhren anzutreffen sind. Doch was verbirgt sich im Detail hinter diesen Bezeichnungen – und welcher praktische Nutzen ist mit diesen Komplikationen verbunden?
Wenn die Zeiger “Fangen spielen”
Das französische Verb “rattraper” bedeutet übersetzt so viel wie “einholen” oder “wieder erhaschen”. Wird im Zusammenhang mit einer Uhr von einem Rattrapante-Zeiger gesprochen, dann spielt dies auf die Funktion dieses Zeigers an. Es handelt sich dabei um einen zweiten Stoppzeiger, der unabhängig vom ersten Stoppzeiger angehalten werden kann und der nur bei bestimmten, technisch besonders aufwendigen Chronographen anzutreffen ist.
Wegen dieses zweiten Stoppzeigers wird ein solcher Chronograph auch als Doppelchronograph bezeichnet. Die Funktion eines solchen Rattrapante-Zeigers besteht darin, Zwischenzeiten stoppen zu können, ohne dafür den Stoppvorgang insgesamt unterbrechen zu müssen. Ist die Zwischenzeit erfasst worden, genügt ein weiterer Knopfdruck, um den zweiten Stoppzeiger in eine beschleunigte Bewegung zu versetzen, sodass dieser den ersten Stoppzeiger wieder einholt und gemeinsam mit ihm weiterläuft. Sobald dies wieder der Fall ist, steht er für die Messung einer weiteren Zwischenzeit zur Verfügung. Weil der erste Stoppzeiger in gewissermaßen “mitschleppt”, bis er für die Messung der nächsten Zwischenzeit benötigt wird, hat sich für diese Art von Zeigern auch der Begriff Schleppzeiger eingebürgert und ein Doppelchronograph kann dementsprechend ebenso als Schleppzeiger-Chronograph bezeichnet werden.
Entsprechend ihrem Einsatzzweck ist die Rattrapante keineswegs nur bei mechanischen Armbanduhren, sondern auch bei klassischen Stoppuhren im Taschenuhr-Format anzutreffen, wie sie zum Teil noch heute im Sportunterricht oder in Sportvereinen Verwendung finden.
Prädikat “besonders wertvoll”
Unter Uhrenkennern gilt diese Komplikation als besonders anspruchsvoll, was sich im Verkaufspreis sowie in der Wertentwicklung von Schleppzeiger-Chronographen entsprechend widerspiegelt. Vor allem historische Modelle aus renommierten Manufakturen sind bei Uhrensammlern sehr begehrt. Bei Auktionen erzielen sie häufig Spitzenpreise.
Besonders großes Aufsehen erregte die Versteigerung einer Rattrapante-Armbanduhr von Patek Philippe aus dem Jahr 1922 bei Antiquorum am 14. November 1999.
Denn der dabei erzielte Preis von 1.918.387 US-Dollar war der höchste, der bis dahin jemals im Rahmen einer Auktion für eine Armbanduhr geboten worden war. Selbst wenn ein solches Auktionsergebnis nicht der Regelfall ist, kann ein gut erhaltener und voll funktionsfähiger Doppelchronograph “aus gutem Hause” doch immerhin häufig eine für seinen Besitzer attraktive Wertentwicklung verzeichnen.
Mono-Rattrapante – die günstigere Alternative zum Doppelchronograph
Eine technisch weniger aufwendige und daher zugleich preisgünstigere Variante eines Doppelchronographen ist unter dem Namen Mono-Rattrapante bekannt. Diese Uhren verfügen nur über einen einzigen Stoppzeiger und unterschieden sich insofern auf den ersten Blick kaum von herkömmlichen Chronographen-Armbanduhren mit zwei Drückern und einem zentralen Stoppzeiger. Dennoch sind sie in der Lage, auch Zwischenzeiten zu messen, ohne den Stoppvorgang insgesamt dafür unterbrechen zu müssen.
Wird bei einer solchen Uhr der untere Chronographendrücker in gedrückter Stellung festgehalten, so hält der Stoppzeiger an, und die entsprechende Zwischenzeit kann abgelesen werden. Beim Loslassen des Drückers springt der Zeiger bis auf jene Position vor, die er inzwischen erreicht hätte, wenn er ohne Zwischenstopp weitergelaufen wäre. Der Zeiger holt sich also gewissermaßen selbst wieder ein. Diese Lösung ist allerdings mit der Einschränkung verbunden, dass das Differenzintervall nicht mehr als 60 Sekunden betragen kann.
Flyback – Rückflug in die Nullstellung
In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte Flyback-Funktion zu erwähnen, die ebenfalls als eine aufwendigere Komplikation bei Chronographen gilt. Flyback-Chronographen sind mit einem komplizierten Mechanismus ausgestattet, der es ihnen ermöglicht, den Stoppzeiger während einer gerade durchgeführten Zeitmessung mit einem einzigen Drückvorgang wieder in die Nullstellung zurückzubringen und beim Loslassen des Drückers augenblicklich mit einer weiteren Messung zu beginnen. Im Normalfall wären dafür drei verschiedene Arbeitsschritte – Stoppen, Nullstellen und erneutes Starten – erforderlich, während sie bei einem Flyback-Chronographen zu einem einzigen Schritt zusammengefasst werden.
“Flyback” hat also nur im übertragenen Sinn etwas mit Fliegen zu tun, einen praktischen Bezug zur Luftfahrt gibt es allerdings trotzdem. Denn Piloten nutzten die zeitsparende Funktion bis zum Beginn des Computerzeitalters gern, um schnell und unkompliziert Zwischenzeiten zu erfassen. Heute dürfte diese Praxis zwar allenfalls noch im Bereich der Sport- und Hobbyfliegerei anzutreffen sein, doch mag es ein beruhigendes Gefühl vermitteln, im Notfall auch ohne Computer entsprechende Zeitmessungen vornehmen zu können.
Ungebrochene Faszination bis heute
Die Aufgaben, für die diese Komplikationen entwickelt worden sind, können heute längst von elektronischen Zeitmessern und Computern übernommen werden. Gleichwohl haben mechanische Uhren mit dieser besonders raffinierten Technik für Liebhaber hochwertiger Luxusuhren nichts von ihrer Faszination verloren.
Und Modelle wie die Glashütte Original Senator Rattrapante, die Zenit El Primero Rattrapante und andere mehr zeugen davon, dass auch die Uhrenmanufakturen bis heute immer wieder ihren Ehrgeiz zeigen und entsprechende Modelle auf den Markt bringen. Noch etwas häufiger anzutreffen – und weniger kostenintensiv in der Anschaffung – ist die Flyback-Funktion, mit der beispielsweise die Zenith El Primero Stratos Flyback, die Tag Heuer Carrera Calibre 36 Flyback oder die Tudor Grantour Chrono Fly-Back ausgestattet sind.