« Eine kleine Uhrengeschichte »
Römische Ziffern zur Markierung der Stundenindizes sind vor allem bei klassischen Uhrenmodellen sehr beliebt. Die römische 4 auf Uhren sorgt jedoch häufig für Irritationen, wenn anstelle der IV nur 4 Striche erscheinen. Wir sind der Sache nachgegangen und haben für unsere Leserinnen und Leser ein interessantes Stück Uhrengeschichte ergründet.
Römische Ziffern stehen für Tradition und klassische Eleganz
Für die Gestaltung der Indizes auf dem Zifferblatt einer Uhr haben sich im Laufe der Uhrengeschichte verschiedene Möglichkeiten eingebürgert, die jeweils eine andere visuelle Wirkung haben. Die schlichteste Variante sind einfache Strich- oder Punktindizes ohne weitere Beschriftung. Sie sind vor allem bei betont schlicht und sachlich gestalteten Uhren anzutreffen und lassen das Zifferblatt besonders ruhig und übersichtlich wirken.
Werden die Indizes mit arabischen Ziffern beschriftet, so kann dies je nach verwendetem Schriftdesign modern, aber auch verspielt oder nostalgisch wirken. In vielen Fällen werden arabische Ziffern jedoch als leicht und deutlich ablesbar empfunden, weil sie auch im Alltag verwendet werden und damit unseren Sehgewohnheiten entgegenkommen. Mit römischen Ziffern tun sich viele Menschen schwerer, weil sie im Alltag heute kaum noch eine Rolle spielen und vorwiegend in historischen Dokumenten, auf Inschriften an Denkmälern und Gebäuden oder eben auch auf Zifferblättern vorkommen. Letzteres ist vor allem dadurch begründet, dass römische Ziffern besonders gut zu einem klassischen, eleganten Design passen, wie es beispielsweise für Dresswatches sehr beliebt ist.
“IV” oder 4 Striche: die römische 4 auf Uhren
Wer sich eine Uhr mit römischen Ziffern genauer ansieht, wird sich dabei möglicherweise wundern, dass die Ziffer 4 dort nicht als IV dargestellt wird, wie es eigentlich zu erwarten wäre, sondern durch 4 Striche: IIII. Zwar gibt es auch Uhren mit einer “richtigen” römischen Vier, aber in etwa 90 Prozent aller Fälle sind an ihrer Stelle die 4 Striche zu sehen. Fakt ist, dass diese Darstellungsweise historisch gewachsen und keine Erfindung der Gegenwart ist. Sie findet sich nicht nur bei Armband-, Taschen- oder Wanduhren, sondern auch schon an Turmuhren, die bereits einige Jahrhunderte alt sind. Eine weit verbreitete Erklärung dafür lautet, dass in der römischen Antike der Buchstabe I zugleich auch die Funktion des heutigen Buchstaben J hatte und das V zugleich auch als U diente.
In lateinischen Inschriften an älteren Gebäuden oder auf Grabmälern finden sich heute noch unzählige Belege dafür. Die “echte” römische Vier hätte demnach auch als “JU” gelesen werden können. Dies sei eine Abkürzung für den Namen des römischen Gottes Jupiter gewesen, der in der römischen Mythologie eine ähnliche Rolle als oberster Gott spielte wie der “Göttervater” Zeus in der griechischen Mythologie. Sein Namenskürzel JU einfach zwischen die anderen, “gewöhnlichen” Zahlen auf einem Zifferblatt zu setzen, wäre Blasphemie gewesen und habe sich daher quasi von selbst verboten, so die häufig zu hörende Erklärung.
Alternativen zur Jupiter-These
So einleuchtend die Begründung klingen mag, gibt es doch einige Gründe, die an der Jupiter-These zweifeln lassen. Eines der wichtigsten Gegenargumente lautet, dass die Verehrung Jupiters nach dem Niedergang des Römischen Imperiums kaum noch eine Rolle spielte. Zudem habe sich die Subtraktionsschreibweise, bei der kleinere Ziffern, die links neben eine größere Ziffer geschrieben werden, von dieser abzuziehen sind, erst während des Mittelalters durchgesetzt und sei zudem bei Inschriften kaum üblich.
Zum Teil wird auch damit argumentiert, dass es sich um eine Tradition handele, die auf frühe Turmuhren zurückgehe. Bei diesen habe man die 4 Striche verwendet, und diese Darstellungsweise sei dann später aus Traditionsgründen immer wieder so übernommen worden. Allerdings lassen sich auch unter frühen Uhren Gegenbeispiele finden.
Nur eine Vorliebe des Sonnenkönigs oder besser lesbar?
Ein weiterer Erklärungsansatz geht davon aus, dass der als Sonnenkönig bekannt gewordene Ludwig XIV. von Frankreich die Schreibweise mit vier Strichen bevorzugte und deshalb darauf bestanden habe, dass sie von Uhrmachern in seinem Einflussbereich so verwendet wurde. Ebenso gut ist es allerdings möglich, dass es keine individuelle Vorliebe des französischen Monarchen war, sondern ganz praktische Gründe für diese Lösung sprachen.
Zum einen ist die Gefahr einer Verwechslung mit der VI geringer, die ja auf dem Zifferblatt relativ nahe bei der Vier steht. Insbesondere bei Zifferblättern, bei denen die unteren Ziffern schräg oder auf dem Kopf stehen, ist es sicherlich leichter, Vier und Sechs auf einen Blick auseinanderzuhalten, wenn die römische 4 auf Uhren nicht ebenfalls aus einem I und einem V zusammengesetzt wird. In jedem Fall hat die Tradition der viergestrichenen römischen Vier sich bis heute bei bekannten Uhrenmarken gehalten: Dies sieht man auf der Rolex Datejust 31 genauso wie auf der Pearlmaster oder Chopards LUC 1937 Classic.
Sparsamkeit oder Ästhetik: zwei weitere mögliche Gründe
Andere Historiker glauben, dass die Verwendung einer aus vier Strichen bestehenden Vier vor allem wirtschaftliche Gründe hatte. Denn um Stundenindizes für ein Zifferblatt mit IIII zu gießen, muss das I zwanzig Mal gegossen werden, während von V und X jeweils vier Stück benötigt werden. Es genügt also, eine einzige Gussform mit vier I und je einem V und einem X herzustellen, und diese viermal nacheinander zu verwenden, um einen kompletten Satz Indizes zu produzieren. Mit drei I weniger und einem V mehr, wie sie für die “richtige” Schreibweise der Vier notwendig wären, ginge das nicht. Darüber hinaus werden auch ästhetische Gründe für die IIII ins Feld geführt.
Vertreter dieser These weisen darauf hin, dass eine aus vier I gebildete römische 4 auf Uhren als Pendant zur VIII auf der linken Seite symmetrischer und ausgewogener wirke. Welche der genannten Thesen tatsächlich zutrifft, wird sich wohl niemals mehr mit hundertprozentiger Sicherheit klären lassen. Möglicherweise waren in verschiedenen Fällen auch unterschiedliche Gründe ausschlaggebend. Ein faszinierendes Stück Uhrengeschichte bleibt das Thema jedoch allemal.