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Präzise, effizient und hochumstritten: Elektrische Uhrwerke sorgen für hitzige Diskussionen in der Uhrenwelt und veränderten die Branche wie keine andere Innovation des 20. Jahrhunderts. Aber wie funktioniert ein Quarzwerk überhaupt? Wir blicken hinter die Kulissen der genialen Mikrotechnik, erkunden ihre Entstehungsgeschichte und erläutern ihre Arbeitsweise auf verständlichem Wege. Alles zum Quarzwerk gibt es jetzt zu lesen.
Simpel erklärt: Das Grundprinzip Quarzwerk
Wie ein mechanisches Uhrwerk funktioniert, ist den meisten Enthusiasten bekannt: Energie wird in einer Aufzugsfeder gespeichert und über ein Räderwerk an das Regelungsorgan (“Assortiment”) weitergegeben, das mit Ankerrad, Unruh, Spirale und Anker den Takt des Zeitanzeigers erzeugt. Das Schöne ist, dass ein Quarzwerk in der Grundstruktur genauso funktioniert – mit dem Unterschied, dass andere Komponenten zum Einsatz kommen. Die Aufgabe der Energiespeicherung übernimmt jetzt kein Federhaus mehr, sondern eine Batterie. Ein Räderwerk existiert nach wie vor. Und wo im mechanischen Uhrwerk das Assortiment für den richtigen Sekundentakt sorgt, nutzen Quarzwerke einen winzig kleinen Kristall. Dieser Quarzkristall bestimmt, wie viel Energie die Batterie an das Räderwerk abgeben darf, damit eine exakte Zeitmessung erfolgt. Aber wie funktioniert ein Quarzwerk im Detail? Bevor wir diese Frage klären, gehen wir zunächst der Entstehungsgeschichte des elektrischen Systems auf den Grund.
Vom Labor ans Handgelenk: Die Entstehung der Quarzuhr
Letztere beginnt früher, als man erwarten würde – nämlich in den 1920er-Jahren. Zu dieser Zeit wird das Quarzwerk in seiner Funktion nicht für Armbanduhren konzipiert, sondern kommt in Form von riesigen Apparaten in amerikanischen Laboren zum Einsatz. Der Durchbruch gelingt den New Yorker Erfindern Joseph W. Horton und Warren Alvin Marrison, die 1927 das weltweit erste Quarzwerk vorstellen. Es ist bereits um ein Vielfaches präziser als die mechanischen Uhrwerke jener Zeit, leidet aber unter extremen Präzisionsschwankungen abhängig von der Temperatur. Doch die Nachricht der neuen Erfindung verbreitet sich wie ein Lauffeuer um den Globus und führt zu enormen technischen Fortschritten. 1932 gelingt es den Forschern Adolf Scheibe und Udo Adelsberger in Berlin mithilfe konstanter Temperaturen, eine mittlere tägliche Gangabweichung von nur 0,002 Sekunden sicherzustellen. Ein Meilenstein der Zeitmessung. 1938 erscheint die erste frei verkäufliche Quarzuhr für Industrie und Wissenschaft.
In der Nachkriegszeit ersetzen Quarzuhren die zuvor verbreiteten Präzisionspendeluhren als wissenschaftlicher Standard und werden im Eiltempo auf kompaktere Bauweisen optimiert. Ausgerechnet die Genfer Nobel-Manufaktur Patek Philippe, bekannt für ihre edlen mechanischen Uhrwerke, leistet hierzu entscheide Beiträge. 1960 bringt sie mit der “Chronotome” den ersten tragbaren Quarz-Zeitanzeiger auf den Markt. Zu dieser Zeit ist die elektrische Technik unglaublich teuer und lässt selbst die besten Mechanik-Uhren von Rolex, Omega und Co. erschwinglich wirken. Erst Seiko sollte es 1969 gelingen, mit der Astron die weltweit erste, serienreife Quarzuhr fürs Handgelenk zu bauen.
Wie funktioniert ein Quarzwerk im Detail?
Ein Blick auf die Komplexität der Technik offenbart, warum ihre Perfektionierung im Mini-Format Jahrzehnte in Anspruch nahm. Wir erinnern uns: Der Quarzkristall regelt, wie viel Energie von der Batterie an das Räderwerk weitergegeben wird. Das kann der gabelförmige Kristall aber nicht alleine: Zwischen ihm und der Batterie ist ein Schrittmotor geschaltet, der die Impulse des Quarzkristalls mit der Energie der Batterie verrechnet und letztere in gedrosselter Weise ans Räderwerk transportiert. Dass der Kristall überhaupt Impulse erzeugen kann, verdankt er dem piezoelektrischen Effekt. Letzterer, den wir alle vom Piezozünder eines Gasgrills kennen, besagt, dass bestimmte Metalle und Kristalle unter elektrischer Spannung ihre Form verändern.
Eine Verformung bezeichnet man in der Fachwelt als eine “Schwingung”. Wie schnell diese Schwingungen erfolgen, hängt von der Größe und Form des Kristalls ab und beeinflusst, wie viele Impulse pro Sekunde von der Batterie an den Schrittmotor und letztendlich ans Räderwerk weitergegeben werden. Natürlich möchten wir exakt einen Impuls pro Sekunde, sodass der Sekundenzeiger genau einmal pro Sekunde tickt. Damit das Quarzwerk diese Funktion erfüllt, hat sich die gesamte Industrie auf einen Standardwert von 32.768 Schwingungen des Quarzkristalls pro Sekunde geeinigt. Ganz schön schnell, diese kleine Stimmgabel.
Quarzkrise: Mechanische Uhren am Abgrund
Selbst mit blühender Fantasie hätten die Erfinder Joseph W. Horton und Warren Alvin Marrison wohl nicht ahnen können, wie stark ihre Technik die Uhrenwelt verändern sollte. Denn nachdem Seiko 1969 die erste Quarz-Armbanduhr lancierte, wehte ein regelrechter Sturm der Revolution durch die Uhrenwelt: 1970 stellt Junghans mit der Astro-Quartz die erste deutsche Variante fürs Handgelenk vor, gefolgt von der legendären Hamilton Pulsar im Jahr 1972. Mit über 2.000 Dollar Verkaufspreis war sie teurer als so manches Auto zu ihrer Zeit. Doch im Laufe der 1970er wurde die Quarztechnik derartig erschwinglich, dass sie sich jeder leisten konnte und mechanische Uhren für viele Menschen ihre Daseinsberechtigung verloren.
Da Quarz um Längen präziser, deutlich günstiger und oftmals viel zuverlässiger im Vergleich zur Mechanik war, brachen die Verkaufszahlen traditioneller Zeitanzeiger dramatisch ein. Bis zum Ende der Quarzkrise Mitte der 80er-Jahre gingen viele traditionelle Marken insolvent, tausende Arbeitsstellen in der herkömmlichen Uhrenindustrie wurden gestrichen.
Von Schnäppchen bis Luxus-Quarzuhren: Das heutige Modellspektrum ist riesig
Wir müssen zugeben: Obwohl wir leidenschaftliche Fans mechanischer Uhrwerke sind, üben das Tempo und die Genauigkeit des Quarzwerks eine gewisse Faszination auf uns aus. Wer die unschlagbare Präzision der elektronischen Zeitmessung erleben möchte, wird in allen Preisklassen fündig: Während die Schweizer Traditionsmarke Tissot bereits unterhalb der 200-Euro-Grenze hochwertige Quarzuhren der Kollektionen T-Classic und T-Trend anbietet, ist Tag Heuer auf Premium-Quarzuhren mit leistungsstarken Chronographenfunktionen spezialisiert. Die sportliche Formula 1 Kollektion, aber auch die Tag Heuer Aquaracer sind hervorragende Beispiele für die elektrische Kompetenz des Herstellers. Soll es erschwinglicher sein, sind neben Tissot auch die Topmarken Hamilton, Junghans und Longines starke Favoriten unseres Magazins.
Wer die elektronische Technik von ihrer exklusivsten Seite kennenlernen möchte, findet bei Spitzenmarken wie Omega und Breitling eine spektakuläre Auswahl an Luxus-Quarzuhren. Letztere treiben die elektrische Zeitmessung mit extremen Temperaturresistenzen, langen Batteriedauern und nochmals gesteigerten Präzisionswerten gegenüber regulären Quarzwerken auf die Spitze. Das zeigt: Quarz muss nicht günstig sein. Die Technik hat ihre volle Berechtigung in der Luxusklasse.